Kindkrank - Diese Rechte haben Beschäftigte
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Kindkrank – Diese Rechte haben Beschäftigte

Welche Regelungen und Gesetze gelten für gesetzlich Versicherte?

Mein Kind ist krank – darf ich zu Hause bleiben und wenn ja, wie lange? Bekomme ich weiter Gehalt? Brauchen wir ein ärztliches Attest? Diese und viele weitere Fragen haben berufstätigte Eltern, wenn die Kleinsten krank sind. Wir haben in diesem Beitrag die Rahmenbedingungen für „Kindkrank“ zusammengetragen.

Mein Kind ist krank – darf ich zu Hause bleiben?


Ja, Beschäftigte haben mit krankem Kind, welches mit im Haushalt lebt und Betreuung benötigt, ein Recht auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung. Das können Arbeitgeber:innen auch nicht arbeits- oder tarifvertraglich ausschließen. Dieses Recht ergibt sich für Beschäftigte aus § 45 SGB V.

Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung kann sich zudem aus § 616 BGB ergeben. Demnach haben Beschäftigte einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn sie durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden für unerhebliche Zeit an der Arbeit verhindert sind. Ein erkranktes Kind kann solch einen Fall darstellen, wenn es keine andere Person im Haushalt gibt, welche die Krankenpflege übernehmen kann. Nach Ansicht der deutschen Rechtsprechung beläuft sich diese „unerhebliche Zeit“ auf max. 5 Arbeitstage (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.1978, 5 AZR 834/76). So lange haben Beschäftigte also die Möglichkeit, sich bezahlt freistellen zu lassen, WENN der Anspruch nicht durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen ausgeschlossen wurde. Hier lohnt sich also immer der Blick in den Arbeitsvertrag bzw. kann der Betriebsrat/Personalrat oder die Personalabteilung bei Unsicherheiten weiterhelfen.

Was ist mit meinem Lohn bei unbezahlter Freistellung?


Nach § 45 SGB V erhalten gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeld als Lohnersatz ein sogenanntes Kinderkrankengeld von ihrer Krankenversicherung. Als Bedingung gilt hierbei, dass keine andere Person im Haushalt lebt, welche in der Lage wäre, das Kind im Krankheitsfall zu beaufsichtigten, zu betreuen und zu pflegen. Außerdem muss das Kind gesetzlich krankenversichert sein.

Ist dies der Fall, haben entweder beide gesetzlich versicherten Elternteile einen Anspruch, solange sie im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind leben oder bei Alleinerziehenden, das Elternteil, welches personensorgeberechtigt, bzw. faktisch alleinstehend ist. Im letztgenannten Fall prüft die Krankenkasse, ob eine Erklärung (dazu) des Elternteils ausreichend ist oder ein weiterer Nachweis einzureichen ist.

Wichtig ist, es muss ein Kindschaftsverhältnis bestehen. Das ist der Fall bei leiblichen Kindern, Adoptivkindern oder Pflegekindern. Lebenspartner ohne Kindschaftsverhältnis erhalten kein Kinderkrankengeld.

Kinderkrankengeld – wie lange habe ich Anspruch?


Bei zwei anspruchsberechtigten Beschäftigten erhalten sie 10* Arbeitstage bezahltes „Kindkrank“ pro Elternteil und Kalenderjahr. Alleinerziehende erhalten 20** Arbeitstage pro Kind pro Kalenderjahr.

Bei mehreren Kindern ist der Anspruch aber auf max. 25 Arbeitstage pro Elternteil bzw. 50 Arbeitstage für Alleinerziehende im Kalenderjahr gedeckelt.

*) **) Aufgrund der Regelungen zur Corona-Pandemie sind es bis zum Jahresende 2023 pro Elternteil 30 Arbeitstage bzw. 60 Arbeitstage für Alleinerziehende pro Kind, bei mehreren Kindern besteht für max. 65 bzw. 130 Arbeitstage der Anspruch.

Für Eltern von schwerstkranken Kindern, die nur noch wenige Wochen oder Monate zu leben haben, besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld zeitlich unbegrenzt.

NEU ab 01.01.2024: Die Regelungen zum Kinderkrankengeld wurden von der Bundesregierung angepasst und es gelten neue Ansprüche. Wir fassen im Artikel "Aktuelle Änderungen beim Kinderkrankengeld 2024" das Wichtigste zusammen!

Wie alt darf mein Kind für den Anspruch auf „Kindkrank“ sein?


Die genannten Regelungen nach § 45 SGB V mit Kinderkrankengeld gelten für Kinder bis zum 12. Lebensjahr (Anmerkung: Dieser Anspruch ist somit mit dem 12. Geburtstag des Kindes beendet). Von der Altersgrenze ausgenommen sind Kinder mit Behinderung und besonderem Unterstützungsbedarf.

Ein Kind gilt dann als behindert, wenn es körperliche, geistige, seelische oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen. Nervosität, Unkonzentriertheit, Labilität oder Rückstand der geistigen Entwicklung stellen für sich allein keine Behinderung dar (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, 31.10.1979, 11 RA 19/78).

Die Aufhebung der Altersgrenze bei Kindern mit Behinderung gilt nur bis zu den Altersgrenzen nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V.

Wird § 616 BGB als Grundlage in Verbindung mit § 275 Abs. 3 BGB genommen, ist von keiner Altersgrenze die Rede.

Da diese Regelungen aber nebeneinanderstehen und keine den Vorrang hat, kann es zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kommen. In der Regel hat die elterliche Fürsorgepflicht aber Vorrang und Eltern dürfen auch dann zu Hause bleiben, wenn das Kind älter als 12 Jahre ist.

Wer zahlt das Kinderkrankengeld und wie muss ich es beantragen?


Eltern müssen das Kinderkrankengeld bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragen. Dafür ist eine ärztliche Bescheinigung notwendig, aus der hervorgeht, dass das Kind krank ist und Betreuung braucht. Diese wird umgangssprachlich „Kinderkrankenschein“ genannt. Auf dessen Rückseite befindet sich das Antragsformular, welches mit allen notwendigen Angaben zur versicherten Person sowie Bankdaten etc. ausgefüllt werden muss. Der Krankenschein mit dem Antragsformular wird dann bei der Krankenkasse eingereicht und bearbeitet. Viele Krankenkassen bieten bereits den digitalen Upload des Kinderkrankenscheins bzw. ein Online-Antragsformular an. Wer den Schein noch per Post verschickt, sollte sich eine Kopie für seine Unterlagen machen.

Die Frist zur Einreichung des blauen Attests bei der Krankenkasse beträgt 4 Jahre und beruht auf der gesetzlichen Verjährungsfrist in der Sozialversicherung (§ 45 SGB I).

Übertragung von Kindkrank-Tagen an den/die Partner:in


Sind die jährlich zustehenden Kindkrank-Tage bei einem Elternteil bereits aufgebraucht und er/sie kümmert sich weiterhin um das erkrankte Kind, so kann ein Übertrag der „ungenutzten“ Kindkrank-Tage vom anderen Elternteil möglich sein. ACHTUNG: Dazu muss der/die Arbeitgeber:in einer erneuten Freistellung zustimmen. Ein Antrag dazu ist bei teilnehmenden Krankenkassen zu erfragen. Ein gesetzlicher Anspruch besteht nicht!

Anspruch auf Kinderkrankengeld bei Homeoffice und Teilzeit


In beiden Fällen bleibt der Anspruch gleich. Sowohl Homeoffice als auch Teilzeitbeschäftigung ändern nichts am Anspruch.

Anruf von Kita oder Schule – darf ich gehen?


Ja, unter Bezugnahme der Regelung nach § 616 BGB (wenn dies arbeits- oder tarifvertraglich nicht ausgeschlossen ist, wie z. B. im TVöD), da Sie unverschuldet den Arbeitsplatz verlassen müssen. Aufgrund des Rechts auf Mitteilung der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers, müssen Beschäftigte vor Verlassen des Arbeitsplatzes die/den Vorgesetzte:n informieren und kurz die Umstände erläutern, sonst drohen möglicherweise arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Bei Unsicherheiten, ob § 616 BGB Anwendung findet oder ob er arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist, können Sie beim Betriebsrat/Personalrat oder der Personalabteilung nachfragen.

Ich muss den Arbeitsplatz wegen Kindkrank spontan verlassen – was ist mit Minusstunden?


Im Falle des vorzeitigen Verlassens aufgrund eines kranken Kindes dürfen für diesen Tag keine Minusstunden entstehen. Denn auch hier gilt § 616 BGB: Der Anspruch auf Vergütung und die geplante Arbeitszeit bleibt bestehen.

Welche Informationspflicht habe ich gegenüber dem/der Arbeitgeber:in?


Sind Beschäftigte mit krankem Kind daheim, besteht eine unverzügliche Informationspflicht über den Ausfall und die voraussichtliche Dauer gegenüber dem/der Arbeitgeber:in, welche sich aus § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ergibt.  Das kann per Telefon o. ä. geschehen. Unverzüglich heißt „ohne schuldhaftes Verzögern“.

Daher unser Praxishinweis: Rufen Sie so früh wie möglich auf Arbeit an, sobald ein/eine Ansprechpartner:in anwesend ist.

Stellen Beschäftigte den Antrag auf Kinderkrankengeld bei ihrer Krankenkasse, muss der Arbeitgeber hierüber informiert werden. Sie können aber auch eine Kopie des blauen Scheins übersenden.

Bei begründeter Veranlassung kann der/die Arbeitgeber:in von einzelnen Beschäftigten einen schriftlichen Nachweis über die Erkrankung des Kindes fordern. Sollte eine Nachweispflicht für alle Arbeitnehmer:innen bzw. für eine abgrenzbare Gruppe von Beschäftigten zur Vorschrift werden, so hat hier der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Darf der/die Arbeitgeber:in den Abbau von Überstunden statt Kindkrank verlangen?


Nein, der Anspruch auf Freistellung bei Kindkrank-Tagen ist gesetzlich festgeschrieben. Daher können auch anderslautende tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelungen bzw. Betriebs- oder Dienstvereinbarungen nicht dazu führen, dass Eltern Überstunden oder Zeitguthaben aufbrauchen müssen.

Kindkrank für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst


Beschäftigte im öffentlichen Dienst, welche keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld haben, können für bis zu 4 Tage bei schwerer Erkrankung des Kindes bezahlt vom Dienst freigestellt werden. Dabei gilt auch hier: Das Kind darf das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, es steht keine weitere Person im Haushalt zur Kinderbetreuung zur Verfügung und ein Arzt/eine Ärztin bescheinigt die Notwendigkeit der Betreuung (§ 29 TV-L / TV-H bzw. § 29 TVöD).

Kindkrank für Beamtinnen und Beamte


Bei Kindkrank ist hier § 12 Abs. 3 Sonderurlaubsverordnung anzuwenden. Danach erhalten Beamte und Beamtinnen bis zu 4 Tage Sonderurlaub, darüber hinaus „kann“ Sonderurlaub gewährt werden.

Für Beamtinnen und Beamte der Bundesländer gibt es ähnlich lautende Regelungen mit unterschiedlicher Höhe von Sonderurlaubstagen.

Die wichtigsten Informationen für Arbeitnehmende als Aushang zum Download


Musteraushang Kindkrank - Das sollten Beschäftigte wissen

Diese Informationen sind für Sie als Musteraushang vorbereitet. Dieser kann wie gewohnt heruntergeladen, nach Bedarf angepasst und ausgedruckt werden.

Bitte beachten Sie: Der Musteraushang steht nur für Betriebsräte zur Verfügung, da die Regelungen im öffentlichen Dienst zu komplex für einen Aushang sind.

Download für Betriebsräte

Stand der Informationen: Mai 2023

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