Inhalt
Zwei Beschäftigte erhalten den Auftrag, einen größeren Posten Leergut in die Hauptkantine zu bringen. Auf dem Rückweg wird eine der Beschäftigten als Betriebsratsmitglied um die Beantwortung einer Frage zu tariflichen Zuschlägen gebeten. Sie bittet ihre Begleiterin, allein zurückzugehen und sie bei der Vorgesetzten zu entschuldigen, weil sie noch Betriebsratsaufgaben zu erledigen habe.
In der Folge verweigert die Arbeitgeberin die Bezahlung für 30 Minuten nicht geleistete Arbeitszeit. Zudem spricht sie auch noch eine Verwarnung aus. Dabei weist sie darauf hin, dass es einerseits nicht genügt, eine Kollegin mit der Abmeldung für Betriebsratstätigkeit zu beauftragen, und andererseits hätte sie den fragenden Kollegen an die Betriebsratssprechstunde verweisen müssen.
In solchen und ähnlichen Fällen stellt sich für Betriebsratsmitglieder die Frage, wie sie korrekt handeln, um solche Situationen zu vermeiden.
Freistellung von der Arbeitsleistung, ja oder nein?
Der entscheidende Punkt dabei ist, ob der/die Arbeitgeber:in mich dafür von der Arbeitsleistung freistellen muss. Und das ist abhängig von zwei Fragen:
- Hat das, was ich tun möchte, einen Bezug zu Aufgaben des Betriebsrats?
- Ist die Arbeitsbefreiung erforderlich, um der gestellten Aufgabe gerecht zu werden?
Zu den Aufgaben des Betriebsrats und damit seiner Mitglieder gehört u. a.:
- Arbeitnehmende am Arbeitsplatz aufzusuchen
- an Sprechstunden teilzunehmen
- Nachfragen zur Anwendung des Tarifvertrages oder zu Betriebsvereinbarungen zu beantworten
- Arbeitsschutzverstöße festzustellen
- individuelle Beschwerden von Mitarbeitenden aufzunehmen
- Ungleichbehandlungen zu unterbinden
- Beschäftigte bei Mitarbeitenden- und Personalgesprächen, bei Beschwerden bei dem/der Arbeitgeber:in - aber auch beim Einsehen der Personalakte - zu begleiten
- in schwierigen Gesprächen zu vermitteln
- die Einhaltung der Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und sonstigen Vorschiften zu überwachen
- ...
Auch die Dauer ist entscheidend
Für die Frage, ob die Arbeitsbefreiung erforderlich ist, muss ich beachten, dass ich mir nicht beliebig Zeit dafür nehmen kann. Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalles entscheidend, die ich möglichst wie neutral Außenstehende bewerten soll. Da jede Person das anders einschätzen würde, habe ich hier aber einen ziemlich großen Spielraum.
Abmeldung von nicht voll freigestellten BR-Mitgliedern
Nicht voll freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich dazu bei Vorgesetzten mit dem Hinweis, dass jetzt Betriebsratsarbeit gemacht werden muss, abmelden. In der Regel kann die Arbeit dann umorganisiert werden, bis ich mich wieder zurückmelde.
In Pflegeberufen ist das aufgrund der Personalsituation mitunter nicht ohne Weiteres möglich. In dem Fall muss ich die Betriebsratsarbeit mit mehr zeitlichem Vorlauf ankündigen bzw. habe die Möglichkeit, sie bei kurzfristigem Gesprächsbedarf ausnahmsweise außerhalb der persönlichen Arbeitszeit zu legen. Diese zusätzliche Zeit ist später als Freizeit zu gewähren oder wie Mehrarbeit zu vergüten, wenn die Verlegung aus betrieblichen Gründen erfolgen musste.
Abmeldung von voll freigestellten BR-Mitgliedern
Voll freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich nur abmelden, wenn sie den Betrieb für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben verlassen müssen (z. B. Konsultation mit dem Gewerbeaufsichtsamt wegen Arbeitsschutzfragen, Besuch eines entfernten Betriebsteils wegen vermuteter Arbeitszeitverstöße usw.). Trotzdem sind sie verpflichtet, während ihrer persönlichen Arbeitszeit nur Betriebsratsaufgaben zu erledigen. Deshalb gehören in „ruhigen“ Zeiten auch Literatur- und Internetrecherchen zu betrieblich relevanten Themen.
Bezug und Erforderlichkeit am Beispiel
In unserem Beispiel war ein Bezug zu Aufgaben des Betriebsrates gegeben, denn es ging um die Vergütung, die hier im Tarifvertrag geregelt ist. Dazu sollten Betriebsratsmitglieder Auskunft geben (können).
War die Beantwortung auch erforderlich? Immerhin gibt es die Betriebsratssprechstunde.
Ja, der/die Arbeitgeber:in darf nicht verlangen, dass ich Beschäftigte an die Sprechstunde verweise. Auch der Verweis an die voll freigestellten Betriebsratsmitglieder ist unzulässig.
Sanktionen – ab wann sind sie zulässig?
Arbeitgeber:innen, die hier zu strenge Maßstäbe anlegen, müssten mit dem Vorwurf rechnen, die Betriebsratsarbeit zu behindern.
Eine Verwarnung oder Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds wegen eines Arbeitszeitversäumnisses aufgrund von Betriebsratsarbeit ist zwar nicht zulässig, aber eine arbeitsvertragliche Abmahnung wäre bei Nichtbeachtung der oben genannten Fragen durchaus möglich.
Nicht erlaubt ist Betriebsratsmitgliedern, in den Arbeitsablauf einzugreifen oder den Betriebsfrieden, beispielsweise durch Werbung für politische Parteien oder durch einen Aufruf zur Arbeitsniederlegung, zu stören. Sie müssen andererseits aber bei einem wilden Streik Arbeitnehmende nicht auffordern, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Als Gewerkschaftsmitglieder müssen sich Betriebsratsangehörige keine besondere Zurückhaltung auferlegen. Sie dürfen für die Gewerkschaft werben, Arbeitnehmende informieren und die betrieblichen E-Mail-Adressen für gewerkschaftliche Themen nutzen. Dabei muss aber eine Vermischung mit dem Betriebsratsamt unterbleiben.
Welche Themen dürfen zwischen Betriebsrat und Beschäftigten besprochen werden?
In Betriebsratssprechstunden, wie auch in sonstigen persönlichen Gesprächen mit Arbeitnehmenden, sind alle Themen zulässig, die einen Bezug zur Betriebsratsarbeit und der Eigenschaft als Arbeitnehmende haben. Dazu gehören beispielsweise Beschwerden über Vorgesetzte bzw. andere Arbeitnehmende, Themenvorschläge für die Betriebsratssitzung, aber auch persönliche, vertrauliche Dinge wie Pfändung oder Schwangerschaft. An der Sprechstunde dürfen auf Wunsch des Betriebsrats auch Gewerkschaftssekretäre teilnehmen.
Nicht zulässig sind Themen wie z. B. Nachbarschaftsstreitigkeiten, reine gewerkschaftliche Themen oder Informationen über anstehende kollektive Maßnahmen (neuer Tarifvertrag, neue BV), dafür sind die Betriebsversammlung, das schwarze Brett oder andere Möglichkeiten zu nutzen.
Haftung bei Falschberatung
Bei der Fülle von Aufgaben bleiben auch Fehler nicht aus. Gerade bei einer Beratung, die sich im Nachhinein als falsch herausstellt, ist die Unsicherheit groß, was mir als Betriebsratsmitglied passieren kann.
Da der Betriebsrat kein Vermögen hat, kann er auch nicht haftbar gemacht werden. Für einzelne Mitglieder sieht es ähnlich aus, sie haften nur für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Infrage kommen Verstöße gegen die Friedenspflicht in § 74 BetrVG, gegen die Geheimhaltungspflicht in § 79 BetrVG und beim Schutz personenbezogener Daten.
Wie ging es im behandelten Fall weiter?
Unser eingangs erwähntes Betriebsratsmitglied erhielt im beschriebenen Fall die Arbeitszeit gutgeschrieben, die für die Beratung aufgewendet wurde, da eine Betriebsratssprechstunde zusätzliche Gespräche über relevante Themen nicht unzulässig macht. Die Verwarnung musste ebenso zurückgezogen werden, da kein Fehlverhalten vorlag. Auch die beauftragte Mitteilung an die Vorgesetzte über die unerwartete Betriebsratstätigkeit war in diesem Fall korrekt. So entschied das Bundesarbeitsgericht schon 1981 (Aktenzeichen 6 AZR 1086/79).
Stand der Informationen: April 2023
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