Mit Krankenschein zur Arbeit - was dürfen Arbeitnehmer, worauf sollten sie achten und was gilt beim Versicherungsschutz? Diese und weitere Fragen klären wir im Beitrag
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Mit Krankenschein zur Arbeit – Was ist erlaubt

Was Arbeitnehmer beachten sollten und welche rechtlichen Regelungen gelten

Mit Fieber, Hals- und Kopfschmerzen zur Arbeit obwohl eine Krankschreibung vorliegt – viele Beschäftigte wollen trotz Krankheit weiterarbeiten. Aber ist das überhaupt erlaubt? Bedeutet eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), dass Beschäftigte nicht arbeiten dürfen? Welche Risiken sind aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu beachten, wenn Beschäftigte trotz einer AU weiterarbeiten? Und können Arbeitgebende Arbeitsleistung trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) verlangen? Was ist aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten?

Was bedeutet eine krankheitsbedingte AU für Beschäftigte?


Eine krankheitsbedingte AU bedeutet, dass Beschäftigte ihre aus dem Arbeitsvertrag resultierende Arbeitspflicht nicht erfüllen können oder bei Fortdauer der Arbeit die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert.

Ist das Arbeiten mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verboten?


Nein, denn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt kein direktes Arbeitsverbot dar. Es handelt sich lediglich um eine ärztliche Prognose über den zu erwartenden Krankheitsverlauf. Fühlen sich Beschäftigte vor Ablauf des angegebenen AU-Zeitraums wieder arbeitsfähig, steht einer Arbeitsaufnahme nichts im Wege.

Wichtig dabei: Beschäftigte sollten immer abwägen, ob eine vorzeitige Arbeitsaufnahme sinnvoll ist. Sie könnten sich selbst und andere im Betrieb gefährden, wenn sie gegen ärztlichen Rat die Tätigkeit vorzeitig wieder aufnehmen.

Verliere ich meinen Versicherungsschutz, wenn ich trotz Krankschreibung arbeite?


Dieser Mythos hält sich hartnäckig. Der Versicherungsschutz besteht sowohl in der Unfallversicherung (Regelungen nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 sowie 8 Abs. 2 SGB VII) als auch in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Dieser Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf den Arbeitsweg.

Außerdem gilt dies auch bei kurzzeitigen Arbeitsaufnahmen, beispielsweise um etwas ins Büro zu bringen oder um an einem kurzen Meeting teilzunehmen, obwohl die AUB noch weitere Zeit besteht. Wichtig ist jedoch, dass dies freiwillig geschieht und die Genesung nicht gefährdet.

Pflichten der Arbeitgebenden


Arbeitgebende haben eine Fürsorgepflicht (§ 618 Abs 1 BGB). Das bedeutet in diesem Fall, dass sich Arbeitgebende bei „Arbeiten trotz Krankenschein“ vergewissern sollten, ob der/die Beschäftigte tatsächlich in der Lage ist, die geforderte Arbeit zu verrichten. Ist dies nicht der Fall, sollten Arbeitgebende die erkrankten Beschäftigten unverzüglich nach Hause schicken.

Kommt es trotz AUB während der Arbeit zu einem Arbeitsunfall, können Arbeitgebende wegen der Vernachlässigung der Fürsorgepflicht haftbar gemacht werden, wenn sich herausstellt, dass der Unfall durch die Krankheit verursacht wurde (§ 618 Abs. 3 BGB).

Diese Fürsorgepflicht besteht gegenüber allen Beschäftigten. Das bedeutet, das Arbeitgebende nicht nur abwägen müssen, ob der/die Beschäftigte wieder „einsatzbereit“ ist, sondern sie müssen gleichzeitig sicherstellen, dass die restlichen Beschäftigten keiner Gefahr ausgesetzt werden.

Dürfen Arbeitgebende bei vorliegender AU Arbeitsanweisungen erteilen?


Sowohl beim Arbeiten vor Ort als auch beim Homeoffice gilt: Wer krank ist und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat, darf nicht vorzeitig zur Arbeit zurückbeordert werden.

Wenn im Betrieb wichtige Informationen für einen reibungslosen Arbeitsablauf fehlen, dürfen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aber durchaus Kontakt zu erkrankten Beschäftigten aufnehmen. Denn: Ein grundsätzliches Kontaktverbot gibt es nicht.  Allerdings besteht während der AUB keine Arbeitspflicht, so dass Beschäftigte nicht zur Auskunft verpflichtet sind. Eine freiwillige Rückmeldung ist erwünscht.

Muss ich mich „gesundschreiben“ lassen?


Sind Beschäftigte vor Ablauf der vorgesehenen Dauer der AUB wieder arbeitsfähig, können sie wieder arbeiten gehen. Sinnvoll ist es, die Arbeitgebenden über die vorzeitige Arbeitsaufnahme zu informieren.

Eine „Gesundschreibung“ bzw. eine „Arbeitsfähigkeitsbescheinigung“ gibt es nicht im regulären Sinn. Natürlich kann ein ärztliches Attest als Beweis für die wiedererlangte Arbeitsfähigkeit ausgestellt werden. Das ist bereits in der Rechtsprechung anerkannt und der Beweiswert eines solchen Attestes ist nur schwer durch Arbeitgebende zu erschüttern (LAG Düsseldorf, Urteil vom 03.09.2009, 11 SA 410/09).

Dürfen Arbeitgebende mir während der AUB eine andere Arbeit zuweisen um die AUB vorzeitig zu beenden?


Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat einen hohen Beweiswert. Solange Beschäftigte arbeitsunfähig sind, besteht für sie keine Arbeitspflicht.
Arbeitgeber können arbeitsunfähigen Beschäftigten andere, möglicherweise besser geeignete Arbeitsplätze anbieten, um die Arbeitsunfähigkeit zu beenden. Im Rahmen des Weisungsrechts ist dies nicht möglich bzw. müssen arbeitsunfähige Beschäftigte dies nicht akzeptieren, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der zugewiesene Arbeitsplatz ihrer Genesung nicht förderlich ist.

Ich fühle mich wieder fit, doch der/die Arbeitgebende lehnt eine vorzeitige Arbeitsaufnahme bzw. die Zuweisung einer geeigneten Arbeit ab


Gerade im Hinblick auf eine Langzeiterkrankung und die Einkommensminderung durch den Wegfall des Krankengeldes ist diese Frage interessant. Bieten Beschäftigte ihre Arbeitsleistung vor Ablauf der prognostizierten AU-Zeit an und wird diese durch die Arbeitgebenden nicht angenommen, kann Annahmeverzug vorliegen und der/die Beschäftigte hiergegen klagen.

Zu einem solchen Fall hat das Bundesarbeitsgericht 2018 eine Entscheidung getroffen (5 AZR 592/17 vom 22.08.2018). Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, welche längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt und für die bisherige Position laut Betriebsarzt nicht mehr geeignet war. Allerdings wurde im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) festgestellt, dass ein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz möglich war. Doch eine weitere Untersuchung durch den Betriebsarzt ergab keine Eignung. Dennoch verlangte die Arbeitnehmerin die Beschäftigung auf diesem Arbeitsplatz und berief sich auf eine Bescheinigung ihres Facharztes. Nach einem weiteren Attest durch den Facharzt wurde die Klägerin auf dem gewünschten Arbeitsplatz beschäftigt. Für die Zeit vom 15.2. bis 31.10.2016, in der sie nicht beschäftigt wurde, verlangte sie jedoch Vergütung wegen Annahmeverzugs und erhob Klage.

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des LAG jedoch auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

In der Begründung heißt es, dass in Fällen, in denen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein kann, den Arbeitnehmer auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen.

Kommt der Arbeitgeber diesem Verlangen schuldhaft nicht nach, kann ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Vergütung aus § 280 Abs. 1 BGB entstehen. Das setze allerdings voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum für die beanspruchte Tätigkeit auch objektiv leistungsfähig war. Lehnt der Arbeitsgeber unter Bezugnahme auf die Leistungsfähigkeit den Einsatz ab, trage er für die Voraussetzung dieser Einwendung die Beweislast. Dies kann wie in diesem Fall durch die Einschätzung des Betriebsarztes erfolgen. Diese Stellungnahme des Betriebsarztes gilt aber nicht als Beweismittel ähnlich einem vom Gericht eingeholten Gutachten, sondern ist nur ein qualifizierter Parteivortrag. Dann ist es wieder an der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer, die Arbeitsfähigkeit nachzuweisen, welche in diesem Fall durch das Attest des Facharztes erfolgte. Das BAG hat daher den Fall an das LAG zurückverwiesen und diesem aufgegeben, alle vorgetragenen Indizien zu berücksichtigen und nach den allgemeinen Regeln Beweis zu erheben, z.B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Kein Anspruch auf Überstunden bei vorzeitiger Arbeitsaufnahme


Erhalte ich Überstunden gutgeschrieben, wenn ich vor dem Ende meiner AUB wieder arbeiten gehe? Die Frage scheint klar – Krank ist krank und was zusätzlich gearbeitet wird, gibt’s on top. Aber das ist falsch. Beenden Beschäftigte vorzeitig ihre Arbeitsunfähigkeit durch Arbeitsaufnahme, gelten sie schlichtweg nicht mehr als krank.

Und auch das stundenweise Arbeiten während eines AU-Zeitraumes bringt keine Zusatzstunden. Hier gilt das gleiche wie bei vorzeitigem Verlassen des Arbeitsplatzes wegen Krankheit: Es entstehen weder Über- noch Minusstunden. Der gesamte reguläre Arbeitstag zählt als gearbeitet.

Ich habe mich während des AU-Zeitraums wieder arbeitsfähig gemeldet, aber jetzt geht es mir wieder schlecht


Wenn ein Arbeitnehmender trotz Krankschreibung stundenweise wieder arbeiten geht und plötzlich feststellt, dass dies seiner Genesung nicht förderlich ist, kann er jederzeit wieder arbeitsunfähig werden. Dies muss dem Arbeitgebenden erneut mitgeteilt werden.

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Musteraushang Arbeiten mit Krankenschein - Beitrag zum Thema, was Arbeitnehmer wissen sollten, wenn sie krank zur arbeit erscheinen

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Stand der Informationen: April 2024

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