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Gegen ein Gläschen Sekt am Arbeitsplatz ist ja nichts zu sagen – oder doch? Was ist, wenn Mitarbeiter auffällig oft nach Alkohol riechen, wir sie ständig nervös oder schläfrig erleben oder vermehrt Unfälle am Arbeitsplatz auftreten? Was können Sie bei einem konkreten Verdacht tun, bzw. welche Hilfen sollten Betroffene erfahren?
Was verstehen wir unter Sucht?
Sucht bezeichnet einen seelischen Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein dringendes Verlangen oder unbezwingbares Bedürfnis nach einem bestimmten Erlebniszustand besteht, der nur noch mit der entsprechenden Substanz erreicht werden kann.
Ist der Konsum von Suchtmitteln in Unternehmen gesetzlich verboten?
Eine gesetzliche Regelung findet sich „nur“ im Jugendschutzgesetz und in der Straßenverkehrsordnung. Nach der Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 (1) DGUV) ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen.
Kann der Arbeitgeber selbst den Konsum von Suchtmitteln am Arbeitsplatz verbieten?
Ein wirksames Verbot von Suchtmitteln am Arbeitsplatz kann der Arbeitgeber nicht treffen. Zwar können in der Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarungen Regelungen getroffen sein, diese müssen sich aber höherrangigem Recht unterordnen. So kann der Arbeitgeber beispielsweise seine Arbeitnehmer per Betriebsvereinbarung nicht zur Blut- oder Atemkontrolle verpflichten, da er hier gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz verstößt. Dennoch sollten Mitarbeiter im Rahmen des eigenen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ihre Entscheidung zum Suchtmittelkonsum überdenken. Eine Ausnahme besteht bei bestimmten gefährlichen Berufsgruppen: z.B. Piloten, Lokführer. Hier kann der Arbeitgeber mit Zustimmung des Betriebsrates ein Verbot aussprechen.
Woran erkenne ich Beschäftigte mit möglichen Suchtproblemen?
Durch die tägliche gemeinsame Arbeit haben Kollegen grundsätzlich die Chance, Wesensveränderungen anderer Mitarbeiter frühzeitig wahrzunehmen. Sollten Sie einen Verdacht hegen, dann empfiehlt es sich, vorab mit Vertrauten oder einem betrieblichen Ansprechpartner ins Gespräch zu kommen. Bei gutem Arbeitsklima kann es schon helfen, den oder die Betroffene/n direkt anzusprechen und somit ein eventuelles Überdenken der eigenen Handlung zu erreichen.
Beschäftigte mit einer möglichen Suchtproblematik können durch gravierende Veränderungen im letzten Jahr oder letzten zwei Jahren auffällig werden im
- Arbeitsverhalten
- Sozialverhalten
- Gesundheitsverhalten
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?
Unternehmen stehen aufgrund der Vorschriften der DGUV, des § 618 BGB und des § 3 Arbeitsschutzverordnung in der Verantwortung, vorbeugend die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass suchtförderndes Verhalten vermieden bzw. bei bestehender Suchterkrankung Hilfe angeboten wird. Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat/Personalrat, so gibt es zudem die Verpflichtung, eine Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung zum Suchtverhalten am Arbeitsplatz zu erstellen. Darin sind Regelungen zum Umgang mit Suchtmitteln und Suchterkrankten sowie ein Stufenplan enthalten. Dieser Stufenplan ist ein Interventionsleitpfaden, der eine Abfolge von max. 5 Stufengesprächen vorsieht. Ab welcher Stufe der Betriebsrat/Personalrat zu den Gesprächen hinzugezogen werden kann, ist individuell zu regeln. Im Stufenplan werden Vereinbarungen und Fristen verpflichtend festgelegt, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer einzuhalten sind.
Welche gesetzliche Pflicht hat der Arbeitnehmer und welche arbeitsrechtlichen Sanktionen können eintreten?
Der Arbeitnehmer darf sich nach DGUV Vorschrift 1, § 15 (2) durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den er sich selbst oder andere gefährden könnte. Teilt der Arbeitnehmer mit, dass er suchtkrank ist, muss der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht nachkommen und gesundheitsbezogene Gespräche führen sowie Hilfe anbieten. Bei bestehender Betriebsvereinbarung bzw. Dienstvereinbarung zum Suchtverhalten ist dann eine Intervention nach dem o. g. Stufenplan durchzuführen. Das oberste Ziel muss dabei immer eine Reintegration in den Arbeitsprozess sein. Ist dies nicht möglich, kann ein Kündigungsverfahren eingeleitet werden.
Wo erhalten Betroffene Hilfe?
Den ersten Schritt wagen - der erste Schritt aus der Sucht und ihren Verstrickungen ist oftmals der schwierigste. Das Hilfs- und Informationsangebot ist facettenreich:
- innerbetrieblich ist der Betriebsrat/Personalrat ein professioneller Ansprechpartner
- Suchtberatungsstellen stehen als externe Ansprechpartner zur Verfügung
- Rentenversicherungsträger oder Krankenkassen bieten zudem therapeutische Maßnahmen
Empfehlung für Betriebsräte und Personalräte
Rund um den Arbeits- und Gesundheitsschutz bieten wir eine Vielzahl an verschiedenen Seminarthemen an. Darunter auch das Thema Suchtprobleme am Arbeitsplatz – Professioneller Umgang mit Suchterkrankten im Betrieb. Hier erhalten Sie umfangreiches Hintergrundwissen und arbeitsrechtliche Informationen. Wie können Gespräche mit Suchtgefährdeten und Erkrankten geführt werden und welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es für Sie im Rahmen von Betriebsvereinbarungen/Dienstvereinbarungen? Diese und viele weitere Fragen werden im Seminar geklärt.
Die wichtigsten Informationen für Arbeitnehmende als Aushang zum Download
Diese Informationen sind in gekürzter Form für Sie als Musteraushang vorbereitet. Dieser kann wie gewohnt heruntergeladen, nach Bedarf angepasst und ausgedruckt werden.
Download für Betriebsräte
- Musteraushang - Sucht am Arbeitsplatz - Betriebsrat Word
- Musteraushang - Sucht am Arbeitsplatz - Betriebsrat PDF
Download für Personalräte
Stand der Informationen: Februar 2020
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