Anspruch auf behindertengerechte Lage der Arbeitszeit

Anspruch auf behindertengerechte Lage der Arbeitszeit

Hamburger Arbeitsgericht gibt Kläger Recht

In den letzten Jahren hat die Zahl der depressiven Erkrankungen weiter zugenommen. Doch auch das Verständnis für die Erkrankten und deren mögliche Wiedereingliederung in normale Arbeitsabläufe ist vorangeschritten. So kann, mithilfe eines gut organisierten BEM, der erneute Einstieg in das Arbeitsleben gelingen. Das dazu auch die Lage der Arbeitszeit zählt, zeigt das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 03. Juli 2019.

Umorganisation der Arbeitszeit nach BEM


Der Kläger des vorliegenden Falles war seit 21 Jahren bei der Beklagten im Dreischichtbetrieb als Industrieschlosser angestellt. Seit 2014 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, nachdem eine depressive Grunderkrankung und eine Belastungsstörung festgestellt worden war. Durch das, von 2014 bis 2016, durchgeführte BEM-Verfahren wurde der Kläger im Zwei-Schicht-Modell beschäftigt. Auf Anraten des behandelnden Arztes sollte kein Einsatz in der Nachtschicht erfolgen.

2017 kam es zur Trennung des Klägers mit seiner Ehefrau und er übernahm nun die Betreuung seiner minderjährigen Kinder. Daher bat der Kläger nun um eine erneute Umorganisation seiner Arbeitszeit im Rahmen einer gleichmäßigen Mittelschicht von 8 bis 16 Uhr. Diese Regelung wurde für ein Jahr befristet und sollte danach erneut überprüft werden. Er wurde in dieser Zeit als Expedient innerhalb des Fachbereichs Packen und Werklogistik eingesetzt.

Arbeitgeber erklärt Regelung für nichtig


Die Beklagte erklärte diese Regelung nach einem Jahr für nichtig und teilte den Kläger erneut zur Wechselschicht ein.

Im erneuten BEM-Verfahren sprachen sich der Integrationsfachdienst, die Vertretung des Betriebsrates und die Schwerbehindertenvertreterin für die weitere Beschäftigung in der Mittelschicht aus. Auch der behandelnde Hausarzt hatte ein Gutachten erstellt, in welchem er von einer Beschäftigung im Schichtbetrieb abriet. Die Beklagte lehnte dies jedoch ab. Die Frist für eine Beschäftigung in der Mittelschicht sei abgelaufen und es sei für die Beklagte nicht zumutbar, für einen einzelnen Beschäftigten abweichende Arbeitszeiten einzuführen.

Der Kläger fordert gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX eine behinderungsgerechte Beschäftigung, was in diesem Fall die Weiterführung der Beschäftigung in Mittelschicht bedeutet. Er wendete sich damit an das Arbeitsgericht Hamburg.

Hamburger Arbeitsgericht gibt Kläger Recht


Die Richter gaben dem Kläger Recht und verurteilten die Beklagte dazu, den Kläger ausschließlich im Einschicht-Betrieb zw. 8:00 Uhr und 16:30 Uhr einzusetzen. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX hat ein schwerbehinderter Mensch gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf (…) Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit (…). Dieser Anspruch besteht nach § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX nicht, wenn seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre. Der Kläger ist mit dem Bescheid vom 23.10.2014 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Eine wöchentlich wechselnde Arbeitszeit würde sich gesundheitlich nachteilig auf den Kläger auswirken. Dagegen konnte die Beklagte keine hinreichenden Gründe vortragen, die gegen die Umorganisation der Arbeitszeit sprechen würden. Der Kläger war bereits für ein Jahr in der Mittelschicht beschäftigt ohne dass Störungen aufgetreten waren. Somit fehlt es hierbei an der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber.

 

Urteil vom 03.07.2019, Arbeitsgericht Hamburg, 17 Ca 41/19