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Auch in Zeiten von Fachkräftemangel und damit verbundenen Schnellauswahlverfahren bei Bewerbungen sind Arbeitszeugnisse immer noch Aushängeschilder über erworbene Fähigkeiten und Fertigkeiten der vergangenen Tätigkeiten. Doch wer kann ein Arbeitszeugnis verlangen? Wer muss es schreiben? Welche Fristen und rechtlichen Vorgaben gibt es? Und gibt es den „Zeugniscode“ wirklich?
Die Arten von Arbeitszeugnissen
Fakt ist, Beschäftigte haben laut § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) am Ende eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis in Papierform, das sogenannte „endgültige Zeugnis“. Das Zeugnis muss mindestens persönliche Angaben und genaue Informationen zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis; § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) enthalten, damit künftige Arbeitgebende in der Lage sind, sich ein klares Bild zu machen. Außerdem können Beschäftigte verlangen, dass Angaben zu Leistung, Verhalten und Führung enthalten sind und eine Bewertung der Arbeitsleistung erfolgt (qualifiziertes Zeugnis; § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO). Grundsätzlich sollte immer ein qualifiziertes Zeugnis eingefordert werden. Ausnahme bilden Beschäftigungsverhältnisse, welche nur für kurzer Zeit (Tage bis einige Wochen) Bestand hatten. Hier ist unter Umständen noch keine genaue Einschätzung möglich und es besteht nur Anspruch auf ein einfaches Zeugnis.
Aber auch schon direkt nach Zugang der Kündigungserklärung, während ein Arbeitsverhältnis noch weiter besteht, können Beschäftigte das sogenannte „vorläufige Zeugnis“ verlangen. Das vorläufige Zeugnis wird meist bei einer Freistellung zur Arbeitssuche unter Fortzahlung der Vergütung (§ 629 BGB) eingefordert. Inhalte des vorläufigen Arbeitszeugnisses sind ohne Änderungen in das endgültige Zeugnis zu übernehmen, wenn in der Zwischenzeit keine gravierenden Abweichungen bekannt geworden sind.
Eine weitere Form ist das „Zwischenzeugnis“. Dies kann nur aus triftigem Grund (Umstrukturierung, wesentliche Änderungen des Aufgabengebietes, Versetzung …) während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verlangt werden. In einigen Tarifverträgen, wie z. B. beim TVöD/TV-L (§ 35 Abs. 2) ist der Anspruch festgeschrieben. Das Zwischenzeugnis enthält Angaben über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses.
Anspruch bei Auszubildenden
Nach § 16 BBiG müssen Ausbildende bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses den Auszubildenden ein schriftliches Zeugnis ausstellen. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Das Zeugnis muss Angaben über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten enthalten. Auch hier kann verlangt werden, dass zusätzlich Angaben über Verhalten und Leistung enthalten sein sollen.
Fristen zum Ausstellen eines Arbeitszeugnisses
Beschäftigte sollten beachten, dass das Arbeitszeugnis aktiv eingefordert werden muss. Dabei muss mitgeteilt werden, ob ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis ausgestellt werden soll.
Das einfache Arbeitszeugnis kann so lange verlangt werden, wie es Unterlagen über den/die Arbeitnehmer:in im Betrieb gibt.
Beschäftigte können den Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis verlieren oder er könnte durch Fristen eingeschränkt sein. So beinhalten viele Arbeits- oder Tarifverträge Ausschlussfristen, wie beispielsweise: „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.“. Das bedeutet also, dass Beschäftigte keinen Anspruch mehr haben, wenn sie erst nach dieser 6-monatigen Frist ihr Arbeitszeugnis einfordern.
Fehlt eine solche Fristsetzung im Arbeits- und/oder Tarifvertrag, dann gilt hier die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB. Doch kann dieser Anspruch schon eher verwirkt werden, wenn der/die Arbeitnehmer:in diesen über längere Zeit nicht eingefordert hat. So entschied zum Beispiel das LAG Hamm in seinem Urteil vom 09.09.2020 (4 Sa 714/99), dass dieser Anspruch bereits nach einem Jahr verfallen ist.
Holschuld der Beschäftigten
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil (5 AZR 848/93 vom 08.03.1995) festgestellt, dass der Zeugnisanspruch eine Holschuld ist. Das bedeutet, dass Arbeitgeber:innen erst nach Aufforderung durch Beschäftigte das Zeugnis schreiben und im Betrieb zur Abholung bereitlegen müssen. Ist der/die Arbeitgeber:in jedoch mit der Ausstellung im Verzug oder ist eine Abholung für Beschäftigte unzumutbar, so kann auch der Versand gefordert werden. Hier ist immer der Einzelfall zu betrachten.
Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Arbeitszeugnis
Grundsätzlich gilt: Das Arbeitszeugnis ist eine Urkunde und muss auf Firmenpapier ausgestellt sein. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Einfache oder zweifache Faltung (für einen Briefumschlag) sowie das Tackern sind erlaubt, sollten aber wenn möglich vermieden werden. Jedoch sollte das Zeugnis frei von
- Flecken,
- Schreib- und Grammatikfehlern,
- Hervorhebungen,
- Superlativen (welche den Wahrheitsgehalt der Aussagen anzweifeln lassen) oder
- Hinweisen auf Gewerkschafts-, Parteizugehörigkeit etc. sein.
Betriebsratstätigkeit von Mitgliedern, die nicht nach § 38 BetrVG freigestellt sind, darf im Zeugnis nur erwähnt werden, wenn der/die Betroffene damit einverstanden ist. Andernfalls könnte eine nach § 78 BetrVG verbotene Benachteiligung aufgrund der Betriebsratstätigkeit vorliegen. In solchen Fällen ist es zu empfehlen, bei Aufhebungsverträgen, Abwicklungsvereinbarungen oder gerichtlichen Vergleichen den Zeugnistext gemeinsam „durchzubuchstabieren“.
Bei Betriebsratsmitgliedern, die mehrere Jahre nach § 38 BetrVG freigestellt waren, darf dies in der Regel erwähnt werden.
Die enthaltenen Angaben sollten immer verständlich, wahr, wohlwollend und ohne geheime Merkmale und Formulierungen sein (§ 109 GewO).
Wahrheitsgemäß: Gute Leistungen nicht abwerten, es besteht aber auch keine Pflicht, dass schlechte Leistungen aufgewertet werden.
Wohlwollend: Das Arbeitszeugnis darf das berufliche Fortkommen nicht unnötig erschweren. Die Wahrheit hat hier trotzdem den Vorrang.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis sollte folgende Punkte enthalten:
- Vorname, Name, akademischer Grad
- Beschäftigungsart und -dauer
- genaue Tätigkeitsbeschreibung
- besondere Aufgaben und Erfolge
- Beurteilung von Leistungen
- Führungsbeurteilung (bei Personalverantwortung)
- Grund des Ausscheidens
- Schlussformel, Dank und Zukunftswünsche (freiwillig, siehe BAG vom 11.12.2019, 9 AZR 227/11)
- Ort, Datum, Unterschrift
Formulierungen und der „geheime Zeugniscode“
Arbeitgebende müssen die Tätigkeitsbereiche vollständig und genau beschreiben, sodass künftige Arbeitgebende ein klares Bild der Bewerberin oder des Bewerbers erhalten (BAG, Urteil vom 12.08.1976, 3 AZR 720/75). Generell sind Arbeitgebende beim Schreiben des Arbeitszeugnisses frei, aber die Formulierungen müssen immer wahrheitsgetreu sein. Persönliche Befindlichkeiten gegenüber der Person sollten deshalb keine Rolle spielen.
Die Einschätzung der Leistungen in der Praxis nach Art der Schulnoten vorgenommen.
Formulierungen wie „zur vollen Zufriedenheit/stets zur Zufriedenheit“ sind mit einer Schulnote 3 (befriedigend) gleichzusetzen. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sind Abweichungen davon nach oben („zur vollsten Zufriedenheit“ (2), „stets zur vollsten Zufriedenheit“ (1)) von dem/der Beschäftigten, bzw. nach unten („zur Zufriedenheit“ (4), „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ (5), „hat sich bemüht“ (6)) vom Arbeitgebenden zu begründen.
Es gibt aber auch sogenannte „positive“ sowie „negative“ Zeugniswörter. Wenn diese im Text verwendet werden, unterstreichen sie die jeweilige Aussage.
Beispiele für positive Zeugniswörter: stets, vollsten, äußerst, größte, sehr, besonders, hervorragend, herausragend, immer.
Beispiele für negative Zeugniswörter: versucht, bemüht, durchaus, meist, insgesamt, größtenteils, im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten, im Großen und Ganzen.
Geheimzeichen sind generell verboten. Dazu gab es in der deutschen Rechtsprechung schon viele Urteile. Als solche Geheimzeichen können beispielsweise Ausrufezeichen gesehen werden, welche eine besondere Betonung vermitteln. Auch die Frage nach einem getackerten (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.11.2017, 5 Sa 314/17) oder gelochten (LAG Nürnberg, Urteil vom 11.07.2017, 3 Sa 58/19) Arbeitszeugnis beschäftigte die Arbeitsgerichte und es wurde jeweils ein Geheimzeichen vermutet. Doch die Gerichte sahen hier keinen Beleg auf ein geheimes Warnsignal an künftige Arbeitgebende.
Wer kann das Arbeitszeugnis verfassen?
Grundsätzlich hat der/die Arbeitgeber:in das Arbeitszeugnis zu schreiben. Nach Erhalt sollten Beschäftigte dieses dann unbedingt prüfen bzw. fachkundig prüfen lassen. Da sie Anspruch auf ein vollständiges und richtiges Zeugnis haben, kann bei inhaltlichen und/oder formalen Fehlern um Korrektur gebeten werden. Kommt der/die Arbeitgeber:in dieser Aufforderung nicht nach, kann sogar ein korrektes Zeugnis eingeklagt werden.
Betriebsräte und Personalräte können hierbei erste Ansprechpartner sein. Es besteht zwar kein direktes Mitspracherecht, aber Gremienvertreter:innen können in Streitfällen vermitteln. Dazu sollten sich Betriebs- und Personalräte mit den formalen und inhaltlichen Kriterien eines Arbeitszeugnisses auskennen. Wir empfehlen dazu unser Seminar:
Grundlagen des Arbeitsrechts – Arbeitsrecht Teil 1 (https://www.kk-bildung.de/seminar-betriebsrat-grundlagen-arbeitsrecht/)
Um Streitigkeiten zu vermeiden, können Arbeitszeugnisse auch gemeinsam mit dem/der Arbeitnehmer:in verfasst werden. Auch die Bitte, Beschäftigte sollen ihr Arbeitszeugnis selbst schreiben, ist in der Praxis nicht unüblich, es darf allerdings nicht verlangt oder angewiesen werden. Doch kann ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis durchaus als Chance wahrgenommen werden, aktiv bei der eigenen Beurteilung mitzuwirken. Arbeitgebende sind allerdings nicht verpflichtet, den Entwurf zu übernehmen.
Die Korrektur eines fehlerhaften Arbeitszeugnisses
Ist die Beurteilung ungünstig ausgefallen oder entspricht nicht der Wahrheit, können Beschäftigte eine Korrektur verlangen. Wenn ein persönliches Gespräch nicht erfolgreich war, können in einer schriftlichen Stellungnahme die Fehler im Zeugnis aufgezeigt und um Berichtigung innerhalb von 14 Tagen gebeten werden. Das sollte schnellstmöglich nach Erhalt des Zeugnisses getan werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist juristische Hilfe empfehlenswert.
Verletzung der Zeugnispflicht
Kommt der/die Arbeitgeber:in der gesetzlichen Pflicht auf die Erstellung eines Arbeitszeugnisses nicht fristgemäß nach oder entspricht das Zeugnis nicht den gesetzlichen Anforderungen, so schuldet er dem/der Beschäftigten Ersatz des dadurch entstandenen Schadens (BAG, Urteil vom 25.10.1967, 3 AZR 456/66). Um diesen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, muss nachgewiesen werden, dass durch das falsch oder verspätet ausgestellte Zeugnis ein Schaden entstanden ist. Es muss z. B. nachgewiesen werden, dass bereits eine neue Arbeitsstelle in Aussicht war, diese aber wegen des fehlenden Arbeitszeugnisses nicht angetreten wurde und dadurch ein Verdienstausfall entstanden ist.
Herausgabe oder Widerruf des Arbeitszeugnisses
Arbeitgebende sind unter Umständen dazu berechtigt, ein bereits ausgehändigtes Zeugnis zu widerrufen. Das kann vorkommen, wenn sich nach Aushändigung Tatsachen herausstellen, welche die Beurteilung unrichtig erscheinen lassen. Diese müssen aber besonders schwerwiegend sein. In diesem Fall kann der/die Arbeitgeber:in das Arbeitszeugnis herausverlangen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.10.2017, 1 Sa228/17) und eine korrigierte Version zurückgeben. Hier gilt allerdings ebenfalls das Einhalten einer angemessenen Frist.
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Stand der Informationen: Februar 2024
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