Das Mittel der Sozialauswahl soll bei betriebsbedingten Kündigungen sicherstellen, dass sozialschwache Arbeitnehmer so lange wie möglich beschäftigt bleiben. Die soziale Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 3 KSchG. Danach werden als Vergleichspunkte beispielsweise die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des Arbeitnehmers, Unterhaltspflichten etc. angeführt. Wurde diese Sozialauswahl fehlerhaft durchgeführt, so kann die ausgesprochene Kündigung wie im nachfolgenden Fall unwirksam sein.
Der Kläger war seit 2012 bei der Beklagten, welche Aluminiumgussteile herstellte und vertrieb, beschäftigt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im März 2022 wurde die Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 21.12.2022 beschlossen.
Im Dezember 2022 erhielten alle Beschäftigten die betriebsbedingte Kündigung mit unwiderruflicher Freistellung zum 01.01.2023. Lediglich 53 Beschäftigte sollten als Abwicklungsteam für einen gewissen Zeitraum weiterhin beschäftigt werden. 13 Personen des Abwicklungsteams erhielten die Kündigung zum 21.03.2023, die übrigen vierzig Personen wurden zum 30.06.2023 gekündigt.
Der Kläger selbst erhielt seine Kündigung zum 31.03.2023. Dagegen legte er Kündigungsschutzklage ein, welche vor dem Arbeitsgericht Solingen Erfolg hatte. Das Gericht erklärte die Kündigung aufgrund von Fehlern bei der Sozialauswahl für unwirksam (ArbG Solingen, 13.04.2023, 3 Ca 126/23).
Methodisch fehlerhaft durchgeführte Sozialauswahl
Die erfolgreiche Kündigungsschutzklage wurde auch in der Berufung bestätigt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Kündigung unwirksam war, da eine nicht ordnungsgemäße Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) vorlag. Bei einer schrittweisen Betriebsstillegung muss der Arbeitgeber die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Abwicklungsarbeiten beschäftigen und hat keine freie Wahl, wen er früher oder später entlässt.
Die Arbeitgeberin hat die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt. Die Vergleichsgruppen wurden anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet, anstatt sie anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten zu bilden. Nach Ansicht des Gerichts hätte die Beklagte noch vortragen müssen:
- welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen,
- welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren
- und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll.
Dazu hatte die Beklagte jedoch nur unvollständige Angaben gemacht.
Keine Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Massenentlassungsanzeige
Die nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG i. V. m. § 134 BGB sei allerdings kein Unwirksamkeitsgrund, da der Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. In der gegenüber der Agentur für Arbeit angegebenen Massenentlassungsanzeige hatte die Beklagte entgegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht ordnungsgemäß mitgeteilt.
Quellen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 09.01.2024 – 3 Sa 529/23
Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 13.04.2023 – 3 Ca 126/23
Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 09.01.2024
Stand der Informationen: Januar 2024
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