Arbeiten in einem Betrieb Beschäftigte unterschiedlicher Nationalitäten, sodass Sprachbarrieren während der Betriebsversammlung den Einsatz von Simultandolmetschern notwendig machen, besteht durchaus eine Kostenübernahmepflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin nach § 40 BetrVG. Doch sind hierfür im Vorfeld Erforderlichkeit der Übersetzung sowie die Verhältnismäßigkeit der Kosten durch den Betriebsrat zu prüfen.
Zu dieser Entscheidung kam das Sächsische Landesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 10.10.2023. Dennoch wurde im konkreten Fall der Antrag des Betriebsrats, die Arbeitgeberin habe die Kosten für 10 Simultandolmetscher zu tragen, zurückgewiesen.
Arbeitgeber soll Kosten i. H. v. 31.000 Euro übernehmen
Im zugrunde liegenden Fall wollte der Betriebsrat eines großen Logistikunternehmens am Standort Leipzig im März 2023 eine Betriebsversammlung durchführen. Dort arbeiteten zu diesem Zeitpunkt 1.220 Beschäftigte, davon 582 deutsche Staatsangehörige und ca. 640 Beschäftigte aus 57 Nationen mit über 50 verschiedenen Muttersprachen. Die 5 größten Sprachgruppen neben Deutsch sind Englisch, Arabisch, Persisch, Polnisch und Tigrinisch.
Bisher wurden Aushänge und Informationen hauptsächlich auf Deutsch verbreitet und gelegentlich in andere Sprachen übersetzt. Auch Betriebsversammlungen wurden bisher nur auf Deutsch abgehalten.
Das sollte sich nun ändern. Dazu holte die Arbeitgeberin mehrere Kostenangebote für Simultanübersetzer bzw. für technische Ausstattung ein. Die Gesamtkosten beliefen sich nach Schätzungen auf mind. 31.000 Euro.
Der Betriebsrat beschloss im Mai 2023 für eine weitere Betriebsversammlung, welche in zwei Teilen stattfinden sollte, einstimmig die Beauftragung von Simultanübersetzungen in die oben genannten fünf Sprachen.
Die Kostenübernahme wurde von der Arbeitgeberin hierfür vorgerichtlich abgelehnt. Es stünden nach Ansicht der Arbeitgeberin keine aktuellen Themen wie Umstrukturierung, Betriebsänderung, Personalabbau o. ä. an, welche für die Beschäftigten von elementarer Bedeutung wären. Außerdem habe der Betriebsrat selbst Mitglieder, die Arabisch, Persisch und Englisch sprechen können.
Betriebsrat muss Tatsachen vortragen und glaubhaft darlegen
Erstinstanzlich scheiterte der Betriebsrat mit seiner Forderung nach Kostenübernahme. Und auch die dagegen gerichtete Beschwerde beim sächsischen Landesarbeitsgericht (LAG) hatte keinen Erfolg.
Die Richter des LAG stellten fest, das trotz des Beurteilungsspielraums, welche Sachmittel er für seine Arbeit für erforderlich hält, der Betriebsrat Tatsachen vortragen und glaubhaft darlegen muss, um hierfür eine Beurteilung durch die Arbeitgeberin zu ermöglichen. Es ist nicht ausreichend „lediglich das Ergebnis einer Entscheidung mitzuteilen und zu behaupten, diese halte sich innerhalb des Rahmens.“ Das Gericht schlug beispielhaft eine Fragebogenaktion vor, mit der der Betriebsrat hätte herausfinden können, inwieweit und für welche Sprachen eine Übersetzung überhaupt erforderlich ist und wie viele Beschäftigte über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen.
Die Behauptung des Betriebsrates, in der Vergangenheit sei es bei Betriebsversammlungen immer wieder zu Verständnisproblemen und – aufgrund der notwenigen Übersetzung untereinander – zu Unruhe und Verzögerungen gekommen, wies das LAG als pauschal zurück.
Auch habe der Betriebsrat die Verhältnismäßigkeit der Kosten zu prüfen, „ob diese unter Berücksichtigung des Inhalts und Umfangs der Betriebsversammlung mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebs zu vereinbaren sind.“
Förderung der Integration als Aufgabe des Betriebsrates ist keine Grundlage
Zudem sahen die Richter eine Schwierigkeit bei der Anwendung von § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, „welcher dem Betriebsrat die Aufgabe der Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und die Förderung des Verständnisses zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zur Betriebsaufgabe macht.“ Ihrer Meinung nach bedeute Integration nicht, „dass sich das größere Ganze dem einzelnen Arbeitnehmer anpasst. Das Bereitstellen von Dolmetschern fördert die Integration im Sinne der Wortbedeutung nicht, weil sich – kontraproduktiv – die Umgebung anpasst. Damit wird der Anreiz, die Sprache der neuen Umgebung möglichst schnell zu lernen, zumindest verringert. Integration fordert vielmehr, dass es den nicht Deutsch sprechenden einzelnen Arbeitnehmern ermöglicht wird, ausreichend Deutsch zu lernen, um sich in die betriebliche Umgebung einzugliedern.“
Eine Benachteiligung sahen die Richter allerdings in der Auswahl der fünf von mehr als 50 Sprachen, welche übersetzt werden sollten. Ihrer Meinung nach gebiete § 75 Abs. 1 BetrVG die Gleichbehandlung aller im Betrieb tätigen Personen. Die Durchführung in deutscher Sprache wäre somit die einzig passende Option – denn eine Simultanübersetzung in alle erforderlichen Sprachen ist für die Arbeitgeberin in diesem Fall unzumutbar.
Spannend ist nun die Frage, wie andere Gerichte in ähnlichen Entscheidungen urteilen.
Quelle:
Sächsisches Landesarbeitsgericht, 10.10.2023, 2 TaBVGa 2/23
Stand der Informationen: Dezember 2023
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