Digitale Bewerbungsunterlagen - Rechte des Betriebsrates
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Digitale Bewerbungsunterlagen – Rechte des Betriebsrates

Unterlagen in Papierform noch zeitgemäß?

Der Betriebsrat hat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen. Nach § 99 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgebende dem Betriebsrat die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen. Doch wie sieht es in Zeiten der Digitalisierung aus? Ist der Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet, wenn die Bewerbungsprozesse ausschließlich digital erfolgen und er mittels einer Software und zur Verfügung gestellten Laptops ein Einsichtsrecht und Notizmöglichkeiten hat?

Das Bundesarbeitsgericht hatte solch einen Fall im Dezember 2023 zu entscheiden.

Starke Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei geplanter Einstellung


Es ging um eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Diese setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus. Danach haben Arbeitgebende den Betriebsrat über die geplanten personellen Einzelmaßnahmen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Die Unterrichtung ist ordnungsgemäß, wenn sie den Betriebsrat in die Lage versetzt, zu prüfen, ob einer der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt.

Digitale Bewerberunterlagen führen zum Rechtstreit


In dem zugrunde liegenden Fall schrieb die Arbeitgeberin, ein Unternehmen der Getränkeindustrie, im Frühjahr 2021 eine neu geschaffene Stelle aus. Die 33 externen Bewerbungen wurden in einer Software zum „Recruiting“ erfasst. Dieses Programm verwaltet u. a. Stellenausschreibungen und enthält ein internes und externes Bewerberportal.

Im Unternehmen besteht ein Betriebsrat. Dessen Mitglieder wurden von der Arbeitgeberin mit Laptops für die Betriebsratsarbeit ausgestattet. Der Betriebsrat hat ein Einsichtsrecht in verschiedene Datenfelder der betreffenden Recruiting-Software, darunter u. a. persönliche Daten, Anschreiben, Lebensläufe sowie Zeugnisse und Zertifikate der Bewerber.

Die Arbeitgeberin bat um Zustimmung zur Einstellung des Bewerbers Herrn G. für die ausgeschriebene Stelle, die der Betriebsrat verweigerte. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin im August 2021 die gerichtliche Zustimmungsersetzung. Nach Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass sie Herrn G. vorläufig zum 1. Dezember 2021 einstellen werde. Der Betriebsrat bestritt die Dringlichkeit dieser Maßnahme und es folgte ein Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, die Zustimmung des Betriebsrates sei zu ersetzen, da eine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt sei. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verlange nicht, dass die Bewerbungsunterlagen in Papierform vorgelegt werden müssten. Der Betriebsrat sah dies jedoch anders und legte Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein. Seiner Meinung nach hätten die Unterlagen in Papierform vorliegen müssen. Außerdem lägen weitere Zustimmungsverweigerungsgründe vor.

Unterlagen in Papierform sind nicht notwendig


Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes hielten die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates für unbegründet. Das LAG habe der Zustimmungsersetzung zu Recht stattgegeben.

Die Arbeitgeberin habe laut Gericht den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet. Auch habe sie gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die erforderlichen „Bewerbungsunterlagen“ vorgelegt. Durch die bestehende Konzernbetriebsvereinbarung hatte der Betriebsrat ein Einsichtsrecht in das Programm „Recruiting“ und die notwendigen Datenfelder. Mithilfe der zur Verfügung gestellten Laptops war es dem Betriebsrat zudem jederzeit möglich, die Unterlagen aller Bewerber einzusehen.

Eine Papierform ist nach Auslegung von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erforderlich. Die im Gesetz verwendeten Begriffe „Bewerbungsunterlagen“ und „vor(zu)legen“, sind mit Blick auf damalige Verhältnisse (Inkrafttreten 1972) sicherlich so zu verstehen, dass derartige Unterlagen stets in physischer Form eingereicht und auch in so einer Form dem Betriebsrat überlassen wurden. „Bei einem funktionalen Verständnis sind solche „Unterlagen“ alle Interessenbekundungen und dem Arbeitgeber zu diesem Zweck übermittelten Daten, die von den Bewerbern übersandt werden. In welchem Format die Einreichung dieser Angaben beim Arbeitgeber erfolgt, ist für ihre Eigenschaft als Grundlage für dessen spätere Auswahlentscheidung unerheblich“ so die Richter in ihrer Begründung.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2023, 1 ABR 28/22

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