Krankheitsbedingte Kündigung bei Langzeiterkrankung
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Krankheitsbedingte Kündigung bei Langzeiterkrankung

Einstellung einer Ersatzkraft als Überbrückung noch zeitgemäß?

Erkranken Beschäftigte langfristig und ist ihre Rückkehr ungewiss, so kommt es häufiger vor, dass Arbeitgebende sich von diesen Beschäftigten mittels einer personenbedingten Kündigung trennen wollen. Um die krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, ist eine 4-Stufen-Prüfung notwendig: Negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen sowie eine Interessenabwägung, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung führen. Des Weiteren ist eine Prüfung auf die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements notwendig.

Langfristig erkrankt


Doch wer gilt als „langfristig“ erkrankt? Ist bereits die Dauer von 6 Monaten für Arbeitgebende nicht zumutbar? Müssen Arbeitnehmende schon nach diesem Zeitraum um ihren Arbeitsplatz fürchten?

Für das Bundesarbeitsgericht bedeuteten solche Entscheidungen bisher, dass Arbeitgebende vor der wirksam ausgesprochenen Kündigung einen Zeitraum von 24 Monaten „abzuwarten“ haben, da eine Kündigung immer nur das äußerste Mittel darstellen sollte. Innerhalb dieses Zeitraumes sah es das BAG für die Arbeitgebenden bisher als zumutbar an, dass sie eine Ersatzkraft als Überbrückungsmaßnahme einstellen. Solch eine sachgrundlose Befristung bei Neueinstellung ist durch § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz rechtlich zulässig. Doch ist das in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels noch möglich? Können Arbeitgebende diesen Schritt unter Berufung auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation umgehen?

Dazu hatte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eine Entscheidung zu treffen.

Zustimmung des Betriebsrates zur ordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen


Geklagt hatte eine Bilanzbuchhalterin, welche seit August 2020 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt war. Es sind mehr als zehn Mitarbeitende im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes für die Beklagte tätig. Seit Oktober 2021 kam es immer wieder zu kurzen Krankheitsphasen der Klägerin, welche dann seit dem 6. Dezember dauerhaft arbeitsunfähig erkrankte.

Im Juli und Oktober 2022 lud die Arbeitgeberin die Klägerin zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX ein. Doch beide Einladungen lehnte die Klägerin ab. Daraufhin hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zu einer geplanten ordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen an. Die Arbeitgeberin erwähnte jedoch in der Anhörung des Betriebsrates nicht, dass die Stelle bereits mit einer internen Mitarbeiterin C. besetzt wurde.

Es folgte, nach Zustimmung des Betriebsrates, die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung, wogegen sich die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Elmshorn richtete.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt und auch die Berufung der Arbeitgeberin vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte keinen Erfolg. Die Arbeitnehmerin muss weiterbeschäftigt werden.

Kündigungsschutzklage hat vor dem LAG Erfolg


Zur Begründung heißt es, die Kündigung war nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Zudem wurde der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angehört. Eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit stellt in aller Regel ohne Weiteres eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen dar, so das Gericht.

„Eine Ungewissheit hinsichtlich Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin steht - so sie tatsächlich vorliegt - einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann. Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken“.

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Keine ausreichende Darlegung der Nichtgenesung und Fehler bei der Betriebsratsanhörung


Doch hatte die Arbeitgeberin in der Betriebsratsanhörung keine konkreten Angaben dazu gemacht, dass mit einer Genesung der Klägerin in den nächsten 24 Monaten ab Zugang der Kündigung nicht zu rechnen sei. Außerdem hat die Arbeitgeberin nicht ausreichend dargelegt, warum die Stelle mit der Mitarbeiterin C. dauerhaft besetzt werden musste und nicht durch befristete Einstellung für die Rückkehr der Klägerin freigehalten werden konnte. Die allgemein schwierige Arbeitsmarktlage, welche die Arbeitgeberin dazu anführte, reichte dem LAG nicht aus. Das Gericht sah keine (erfolglos) unternommenen Anstrengungen von Seiten der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin hatte sich als Rechtfertigung der Kündigung darauf berufen, dass es durch die Beschäftigung von zwei Personen auf einer Position zu einer Doppelbesetzung kommen würde, was eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung darstellt. Doch wurde dafür von Seiten der Arbeitgeberin zu wenig vorgetragen. Die Kündigung scheiterte damit am zweiten Prüfungspunkt (Interessenbeeinträchtigung).

Eine Lösung, wonach die Mitarbeiterin C. bei Rückkehr der Klägerin wieder ihren vorherigen bzw. einen anderen Arbeitsplatz erhält, um eben diese Doppelbelastung zu vermeiden, wurde durch die Arbeitgeberin nicht angeboten.

 

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2024, 3 Sa 74/2

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