Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf - Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes
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Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf

Fehlende Festlegung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit: 20 Stunden gelten als vereinbart

Vereinbaren Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in Arbeit auf Abruf, ohne eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit festzulegen, wird gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) grundsätzlich von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden ausgegangen. Nur wenn objektive Anhaltspunkte dafürsprechen, dass bei Vertragsabschluss eine andere Dauer vereinbart war, kann von dieser gesetzlichen Regelung abgewichen werden. So urteilte das Bundesarbeitsgericht im Oktober 2023 in folgendem Fall.

Klägerin arbeitet auf Abruf ohne vertraglich festgelegte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit


Die Klägerin ist seit 2009 als „Abrufkraft Helferin Einlage“ bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, beschäftigt. Der geltende Arbeitsvertrag beinhaltet keine Angabe zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Gemeinsam mit anderen Beschäftigten wurde die Klägerin nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichem Umfang zur Arbeit herangezogen. Ab dem Jahr 2020 stellte die Klägerin einen deutlichen Rückgang ihrer abgerufenen Arbeitsleistung im Vergleich zu den vorherigen Jahren fest. Ihren Berechnungen zur Folge wurde sie in den Jahren 2017 bis 2019 im Durchschnitt 103,2 Stunden pro Monat von der Beklagten abgerufen. Ihrer Meinung nach ergebe eine ergänzende Vertragsauslegung, dass dies die nunmehr geschuldete und von der Beklagten zu vergütende Arbeitszeit sei. Außerdem stellte sie für die Jahre 2020 und 2021 Annahmeverzugsforderungen für Zeiträume, die den genannten Umfang nicht erreichten.

Arbeitsgericht entscheidet auf Grundlage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG)


Das zuständige Arbeitsgericht hatte dieser Forderung nur bedingt stattgegeben. Die Richter legten hier die gesetzlichen Regelungen des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG zu Grunde und setzten damit eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden bei einem Abrufarbeitsverhältnis voraus. Sie gaben der Forderung auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nur für die Wochen statt, bei denen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Eine Berufung hatte vor dem LAG Hamm keinen Erfolg. Und auch die nun verhandelte Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ging nicht zu Gunsten der Klägerin aus.

Bundesarbeitsgericht: Gesetz schließt Regelungslücke, 20 Stunden gelten als vereinbart


Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes begründeten ihre Entscheidung wie folgt: Wenn Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in vereinbaren, dass der/die Beschäftigte seine/ihre Arbeitsleistung auf Abruf erbringt, müssen sie gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit arbeitsvertraglich festlegen. Falls dies nicht geschieht, wird diese Regelungslücke gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG durch das Gesetz geschlossen und es gilt eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart. Eine Abweichung von der vereinbarten Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist nur dann möglich, wenn die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im Arbeitsverhältnis nicht angemessen ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beide Parteien bei Vertragsschluss eine höhere oder niedrigere Wochenarbeitszeit vereinbart hätten, wenn die Regelungslücke bekannt gewesen wäre. Eine ergänzende Vertragsauslegung kann in diesem Fall vorgenommen werden. Doch darauf gab es im vorliegenden Fall keinerlei Hinweise.

Wird keine Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit getroffen und diese Lücke durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Jedoch ist das Abrufverhalten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin in einem bestimmten und willkürlich gewählten Zeitraum, der lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegt, nicht ausreichend. Allein auf dem Abrufverhalten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin lässt sich nicht ableiten, dass er/sie sich für alle Zukunft an eine höhere wöchentliche Arbeitszeit als die nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG vorgesehene binden möchte. Auch die bloße Bereitschaft des/der Beschäftigten, für einen bestimmten Zeitraum mehr als 20 Stunden zu arbeiten, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Arbeitszeit dauerhaft erhöht werden soll.

 

Quelle:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2023, 5 AZR 22/23

 

Stand der Informationen: November 2023

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