Eine fristlose Kündigung durch den/die Arbeitgeber:in ist möglich, wenn eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Wird dem Beschäftigten zugleich das Angebot zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses angeboten, darf an der Ernsthaftigkeit dieses Angebotes gezweifelt werden – so urteilte nun das Bundesarbeitsgericht.
Fristlose Änderungskündigung durch die Arbeitgeberin
Im verhandelten Fall war der Arbeitnehmer seit August 2018 bei der Arbeitgeberin als technischer Leiter für 5.200 Euro brutto monatlich beschäftigt. Im Dezember 2019 ging dem Arbeitnehmer die fristlose Änderungskündigung zu. Darin wurde ihm ein neuer Arbeitsvertrag als Softwareentwickler mit geringerem Gehalt angeboten. Weiterhin hieß es im Kündigungsschreiben: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt“.
Arbeitnehmer lehnt Änderungskündigung ab und erscheint nicht zur Arbeit
Diese Änderungskündigung lehnte der Kläger ab und erschien nicht zur Arbeit. Es folgte am 14.12.2019 ein erneutes Kündigungsschreiben. Darin wurde außerordentlich zum 17.12.2019, 12:00 Uhr MEZ, gekündigt. Außerdem wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass sie im Falle einer Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Arbeitsantritt erwarte. Auch diese Kündigung nahm der Kläger nicht an und erschien nicht zur Arbeit.
Er erhob Kündigungsschutzklage, welche auch Erfolg hatte. Nach Ansicht der Richter hatten beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
Kläger fordert Annahmeverzugsvergütung
Da die Arbeitgeberin aber lediglich für Dezember eine Vergütung in Höhe von 765,14 Euro zahlte und der Kläger erst zum 01.04.2020 ein neues Arbeitsverhältnis schloss, forderte er nun mit seiner Klage wegen Annahmeverzuges die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes. Denn seiner Ansicht nach habe sich die Arbeitgeberin aufgrund der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten bzw. den ursprünglichen Arbeitsbedingungen war seiner Meinung nach für ihn nicht zumutbar. Auch stellte er die Ernsthaftigkeit eines Weiterbeschäftigungsangebotes in Frage. Denn die Arbeitgeberin habe ihm als Kündigungsgrund zu Unrecht umfangreiches Fehlverhalten vorgeworfen. Auch im Verfahren selbst gab die Arbeitgeberin an, dass eine Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zumutbar war.
Die ersten Instanzen lehnten die Klage ab. Ihrer Meinung nach war trotz der unwirksamen Kündigungen die Arbeitgeberin nicht in Annahmeverzug, da der Kläger das Weiterbeschäftigungsangebot während des Kündigungsschutzprozesses nicht angenommen hatte.
BAG entscheidet: Arbeitsangebot des Klägers war nicht notwendig
Doch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Kläger Erfolg. Nach Ansicht des fünften Senats hat die Arbeitgeberin widersprüchlich gehandelt und sich im Annahmeverzug befunden, ohne dass es ein Arbeitsangebot von Seiten des Klägers bedurft hätte. Denn mit der Kündigungsbegründung, dass eine Beschäftigung nicht zumutbar ist, steht das Weiterbeschäftigungsangebot während des Kündigungsschutzprozesses im Widerspruch. An der Ernsthaftigkeit des Angebots zweifelten daher die Richter. Auch lasse die Ablehnung eines solchen Angebots nicht auf fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers i. S. d. § 297 BGB schließen.
Lediglich § 11 Nr. 2 KSchG (Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst aufgrund böswilliger Unterlassung) hätte hier die geforderte Vergütung schmälern können. Das war im vorliegenden Fall aber nicht zutreffend, da die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe und Herabwürdigungen eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten nicht zumutbar machten.
Quelle: BAG, Urteil vom 29.03.2023, 5 AZR 255/22
Stand der Informationen: April 2023
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