„Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.“
So lautete das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10. Januar 2023 (6 StR 133/22) im Fall der Volkswagen AG. Dort wurden in den Jahren 2011 bis 2016 Arbeitsentgelte an freigestellte Betriebsräte gezahlt, deren Höhe die Zahlung an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstieg. Die Schadenssumme belief sich auf 4,5 Millionen Euro.
Die Freisprüche für die betreffenden Manager wurden durch das Urteil des BGH aufgehoben. Um künftig die Gefahr von Straftaten durch die eigenen Manager zu vermeiden, kürzte VW einigen Betriebsratsmitgliedern ebenfalls die Vergütung. Dagegen wehrten sich diese, wie im nachfolgenden Fall.
Das betroffene Betriebsratsmitglied wurde von der Entgeltgruppe 20 in die Entgeltgruppe 18 zurückgestuft. Zusätzlich verlangte VW von dem Kläger die Rückzahlung der Entgeltdifferenz - knapp 500 Euro monatlich - für die Zeit von Oktober 2022 bis Januar 2023, die der Kläger unter Vorbehalt zahlte. Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Rückzahlung der gezahlten Entgeltdifferenz und seine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 20.
Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Betriebsratsvergütung
Das Arbeitsgericht Braunschweig gab der Klage statt und die dagegen gerichtete Berufung von VW vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen war zum Großteil erfolglos. Zur Begründung führte das Gericht aus: Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern einschließlich eines Zeitraumes von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Beschäftigter mit beruflicher Entwicklung. Während der Amtszeit muss eine Gehaltsentwicklung auf dem gleichen Niveau wie bei vergleichbaren Beschäftigten erfolgen. Dabei kommt es dem Gericht nicht auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitgliedes an, sondern auf die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer (im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).
Daraus lässt sich aber im vorliegenden Fall kein Vergütungsanspruch ableiten. Der Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltstufe 20 ergibt sich nach Auffassung der Richter aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 78 Satz 2 BetrVG. Danach liegt eine Benachteiligung vor, wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit beim Arbeitsentgelt schlechter gestellt wird. Arbeitgebenden ist es untersagt, ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Amtstätigkeit in seinem beruflichen Fortkommen zu benachteiligen. „Ein Betriebsratsmitglied, das nur wegen der Übernahme des Betriebsratsamts nicht auf eine höher dotierte Stelle befördert worden ist, kann daher unmittelbar vom Arbeitgeber die Zahlung der höheren Vergütung verlangen“, so die Richter.
Früheres Jobangebot ist der ausschlaggebende Punkt
Die Voraussetzungen für einen hypothetischen Karriereverlauf konnte der Kläger im Prozess darlegen und VW nicht hinreichend widerlegen. Denn dem Kläger war im Jahr 2015 tatsächlich eine Stelle angeboten worden, die der nunmehr streitgegenständlichen Vergütungsstufe entsprach. Diese hatte er für die Richter glaubhaft wegen seiner Betriebsratstätigkeit abgelehnt. Ohne das Betriebsratsamt sei davon auszugehen, dass der Kläger die Entgeltgruppe 20 erreicht hätte.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2024, 6 Sa 559/23
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