In den vergangenen Jahren gab es etliche Entscheidungen deutscher Sozialgerichte, bei denen Unfälle während der Arbeitszeit in Verbindung mit der Nahrungsaufnahme nicht als Arbeitsunfall gewertet wurden.
So ist zwar der Gang zum oder vom Mittagessen als Wegeunfall versichert, dass Mittagessen an sich gilt aber meist als „Privatangelegenheit“. Ebenso gilt der Weg zum Einkaufen während der Mittagspause nur dann als versichert, wenn Beschäftigte sich dort ihr Mittagessen holen, welches alsbald verzehrt wird. Erledigen sie aber gleich noch den Wocheneinkauf, so erlischt der Versicherungsschutz. Auch der Weg zu einer fremden Kantine ist nicht immer voll versichert. In einem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe heißt es beispielsweise: „Der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für Wege zum und vom Mittagessen beschränkt sich auf den öffentlichen Verkehrsraum“ (Urteil vom 05.03.2013, Az. S 1 U 4282/12). In diesem Fall war eine Lehrerin eines Gymnasiums auf dem Rückweg von einer externen Kantine in einer Sparkasse noch innerhalb des Gebäudes auf der Treppe gestürzt. Doch der Versicherungsschutz endete nach Ansicht des Gerichts beim Hinweg vor der Außentür des Sparkassengebäudes – gleiches galt also auch für den Rückweg. Da sich der Sturz innerhalb der Sparkasse ereignete – und somit nicht im öffentlichen Verkehrsraum – galt hierbei kein Versicherungsschutz.
Sturz auf nassem Boden mit Lendenwirbelbruch
Anders hat das Hessische Landessozialgericht geurteilt. Die Klägerin, eine Verwaltungsangestellte eines Finanzamtes, war im Februar 2021 auf dem Weg zum Kaffeeholen im Sozialraum des Finanzamtes auf nassem Boden ausgerutscht und zog sich einen Bruch im Lendenwirbelbereich zu. Die beklagte Unfallkasse lehnte mit Bescheid vom 13. April 2021 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da kein Arbeitsunfall vorliege. Der Versicherungsschutz ende, nach Meinung der Unfallkasse, regelmäßig mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Der Kantinenraum gehöre nicht zum versicherten Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Ansicht bestätigte auch das Sozialgericht Fulda.
Unfall geschah im „inneren“ Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
Dagegen wehrte sich die Klägerin und der Fall ging in zweiter Instanz an das Landessozialgericht Hessen. Und dies entschied zu Gunsten der Finanzbeamtin. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn es sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit im Sinne des Siebten Sozialgesetzbuches handelt (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Der Senat stellte fest, „dass die Verrichtung der Klägerin, nämlich das Zurücklegen des Weges zum Holen eines Kaffees im Betriebsgebäude und in der Sphäre des Arbeitgebers, im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand“.
Sozialraum eindeutig Verantwortungsbereich der Arbeitgeberin
Der Unfallversicherungsschutz ende auch nicht an der Tür des Sozialraumes des Finanzamtes, welcher eindeutig zum Verantwortungsbereich der Arbeitgeberin gehört. Außerdem sei zum Zeitpunkt des Unfalls der Verzehr nur am Arbeitsplatz möglich, der Sozialraum hatte keine Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme.
Auch sahen die Richter keine Fahrlässigkeit der Klägerin, da diese trotz Hinweis auf „Rutschgefahr“ den Raum betreten hatte.
Quelle:
Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 07.02.2023, L 3 U 202/21
Stand der Informationen: März 2023
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