Betriebsratsvorsitz schließt Amt als Datenschutzbeauftragte:r aus
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Betriebsratsvorsitz schließt Amt als Datenschutzbeauftragte:r aus

Darf eine/ein Betriebsratsvorsitzende:r gleichzeitig eine/ein Datenschutzbeauftragte:r sein? Dazu hat nun das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen.

Der Kläger ist seit 1993 bei seiner Arbeitgeberin, einem Konzernunternehmen, beschäftigt. Er ist dort freigestellter Betriebsratsvorsitzender und stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender für alle drei Konzernunternehmen. Im Jahr 2015 wurde er zum internen Datenschutzbeauftragten bestellt. Darüber hinaus übernahm er die Funktion des externen Datenschutzbeauftragten für die anderen Konzerngesellschaften.

Widerruf und Abberufung wegen Unvereinbarkeit


Im Dezember 2017 widerrief die Beklagte auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit die Bestellung des Klägers wegen Unvereinbarkeit der Ämter mit sofortiger Wirkung. Nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurde der Kläger zudem mit Schreiben vom Mai 2018 vorsorglich als Datenschutzbeauftragter abberufen.

Dagegen klagte der Mann und machte geltend, seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter bestehe fort. Die Beklagte vertrat jedoch die Auffassung, dass die Doppelfunktion als BR-Vorsitzender und Datenschutzbeauftragter Interessenkonflikte hervorrufe. Diese Unvereinbarkeit stelle einen wichtigen Grund zur Abberufung dar.

Landesarbeitsgericht Sachsen sieht keine Inkompatibilität beider Ämter


Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Sachsen, hielt seine Bestellung für die in Sachsen ansässigen Konzerntöchter für wirksam. Der Widerruf bzw. die Abberufung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter sei ohne wichtigen Grund erfolgt. Zudem zitierte das LAG Sachsen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011. Dort wurde festgestellt, dass die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht zwangsläufig die gleichzeitige Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter wegen Inkompatibilität ausschließt (BAG, 23.03.2011, 10 AZR 562/09). Gleiches müsse auch für den BR-Vorsitz gelten.

Widerruf aus wichtigem Grund gerechtfertigt


Dagegen legte die Beklagte Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ein - mit Erfolg. Nach Ansicht der Richter des Neunten Senats war der Widerruf der Bestellung vom 1. Dezember 2017 aus wichtigem Grund i. S. v. § 4 Abs. 3 Satz 4 BDSG aF i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Drohende Interessenkonflikte können die Zuverlässigkeit i. S. v. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF für das gleichzeitige Ausüben beider Ämter infrage stellen. „Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat.“, so die Begründung des Gerichts, welche sich hierbei auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bezieht (EuGH, 09.02.2023, C-453/21).

Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zur Erfüllung der Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zur Verfügung gestellt werden. Mit Gremiumsbeschluss entscheidet der Betriebsrat, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und wie diese anschließend verarbeitet werden. „In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF auf.“

 

Quellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Juni 2023 – 9 AZR 383/19

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019 – 9 Sa 268/18

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Wie viel Wissen benötigt der Betriebsrat im Bereich Datenschutz?

Auch wenn § 79a BetrVG inzwischen regelt, dass der/die Arbeitgeber:in Verantwortliche:r im Sinne datenschutzrechtlicher Vorschriften ist: Der Betriebsrat hat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten, im Rahmen seines Selbstverwaltungsrechts entsprechend zu organisieren und bei Bedarf auch nachzuweisen. Hinzu kommt die allgemeine Aufgabe des Betriebsrats, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, …, durchgeführt werden.“ (§ 80 BetrVG)  Hierzu gehören eben auch die EU-DSGVO und das BDSG.

Das kann für Betriebsräte nur bedeuten, sich als gesamtes Gremium umfassend zum Thema Datenschutz schulen zu lassen. Eine einfache Schulung durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten reicht hierfür keinesfalls aus.

Eine Entscheidung zum Thema kommt vom LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 20.05.2022, Aktenzeichen 12 TaBV 4/21): Nach Ansicht des Gerichts benötigen sämtliche Betriebsräte verpflichtende Grundschulungen zum Datenschutz. Inzwischen wurde das Verfahren – in dem es in der Hauptsache um einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats geht – weiterführend vom BAG geurteilt (Beschluss vom 09.05.2023, Aktenzeichen 1 ABR 14/22). Die Urteilsbegründung liegt indes noch nicht vor.

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