Das Betriebliche Eingliederungsmanagement soll dabei helfen, langzeiterkrankten Arbeitnehmern den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu ermöglichen und deren Arbeitsplatz zu erhalten. Dabei hat der Arbeitgeber die Pflicht, das BEM dem Arbeitnehmer anzubieten, bevor eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann.
Doch kann unter Umständen auf die Durchführung eines BEM verzichtet werden, z. B. wenn die Fronten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so verhärtet sind, dass keinerlei Gespräche zwischen beiden Parteien möglich sind? Ist dann eine krankheitsbedingte Kündigung auch ohne BEM möglich?
Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht hat zuletzt am 13.05.2015 die drei Stufen zur Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung aufgezeigt:
- Ist die Arbeitsunfähigkeit langanhaltend?
- Liegt eine negative Krankheitsprognose vor oder ist diese anzunehmen?
- Sind die betrieblichen Belastungen durch die Arbeitsunfähigkeit zu einer für den Arbeitgeber nicht mehr hinzunehmenden Belastung geworden?
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) spielt bei der personenbedingten Kündigung eine nicht unerhebliche Rolle. Nach § 167 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Erkrankungen, die länger als sechs Wochen am Stück oder im Laufe eines Jahres sind, das BEM den betroffenen Mitarbeiter anzubieten.
Kommt ein Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, so geht dies im Kündigungsschutzprozess üblicherweise zu seinen Lasten.
Was ist, wenn der Mitarbeiter das BEM ablehnt?
Im zugrundeliegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten beschäftigt. Bei einem Arbeitsunfall verlor er einen Großteil seines linken Daumens. Aufgrund dieses Unfalls, einem Asthmaleiden und psychischen Gründen war er dann über drei Jahre arbeitsunfähig krank. Die Beklagte kündigte ihm daraufhin krankheitsbedingt. Da der Kläger sämtliche Gespräche mit der Beklagten verweigerte, schlussfolgerte diese aus seinem Verhalten, dass der Arbeitnehmer auch keine Bereitschaft zur Teilnahme an einem BEM zeigen würde.
Der Kläger sah dies anders. Seiner Meinung nach, lag die Schuld für seine psychische Erkrankung im Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten. Dieser habe ihm unter andrem vorgeworfen, nur auf „Rentner zu machen“. Durch diese Äußerungen und das Verhalten fühle sich der Kläger schikaniert und habe den Kontakt mit der Beklagten vermieden. Er reichte Kündigungsschutzklage ein und gab an, dass eine Entschuldigung von Seiten der Beklagten seine psychische Belastung reduziert hätte und er wieder arbeitsfähig wäre.
BEM ausnahmsweise entbehrlich
Die Richter gaben dem Arbeitgeber Recht und begründeten dies damit, dass die Voraussetzung für eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung gegeben war. In diesem konkreten Fall war der Arbeitgeber nicht angehalten, dem Kläger ein BEM anzubieten, da dieser sich bisher weigerte, an Gesprächen mit dem Arbeitsgeber teilzunehmen.
Ein Mitarbeiter kann das BEM ablehnen. Er ist also entsprechend frei in seiner Entscheidung über Maßnahmen der Prävention, der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit sowie der Wiedereingliederung mit dem Arbeitgeber zu beraten.
Da der Kläger es abgelehnt hat im Betrieb zu erscheinen und den Geschäftsführer zu treffen, folgte das Gericht der Argumentation des Arbeitgebers und hält die Kündigung für gerechtfertigt.
Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 27.02.2019 - 17 Sa 1605/18
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