Benachteiligung wegen Schwerbehinderung und Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes

Entschädigung nach dem AGG

Benachteiligung wegen Schwerbehinderung und Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes

Sowohl das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als auch das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) beantworten Fragen zur arbeitsrechtlichen Situation von schwerbehinderten Menschen. Demnach muss vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden (§ 168 SGB IX). Ist Beschäftigten durch den Arbeitgeber ein Schaden entstanden, der kein Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 2 AGG).

Diese beiden Gesetze sind für den folgenden Fall besonders relevant, denn die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zahlen muss.

Kündigung des Klägers ohne Zustimmung des Integrationsamtes


Der Kläger war als Hausmeister bei dem Beklagten angestellt und aufgrund eines Vertrages über eine Personengestellung zwischen der Stadt L. und dem Arbeitgeber in einer Grundschule tätig. Er erlitt im Februar 2018 einen Schlaganfall und wurde einen Tag später mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation behandelt. Darüber informierte die spätere Betreuerin den Arbeitgeber. Am 14. März kündigte die Stadt L. den geschlossenen „Vertrag über eine Personengestellung“. Daraufhin sprach der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses Ende März/Anfang April 2018 aus.

Eine dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage endete mit einem Vergleich zwischen beiden Parteien.

Forderung nach Entschädigung


Der Kläger verlangte nun eine Entschädigung vom Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 AGG, da dieser nicht die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eingeholt hatte. Besonders wichtig ist hierbei, dass zum Zeitpunkt der Kündigung der Kläger weder als Schwerbehinderter anerkannt war, noch lag ein Antrag dazu beim zuständigen Amt vor. Nach Ansicht des Klägers war die Schwerbehinderung aber offenkundig erkennbar.

Sowohl die Vorinstanzen als auch die Richter des Achten Senats des BAG lehnten die Klage hab. Es besteht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Im Grundsatz bestätigt das BAG allerdings, dass ein solcher Verstoß durchaus eine Benachteiligung wegen Behinderung i. S. v. § 22 AGG indizieren könne. Der Kläger konnte aber nicht schlüssig darlegen, dass eine i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG erfolgte Benachteiligung aufgrund seiner (Schwer)Behinderung geschah. Die Schwerbehinderung sei für den Beklagten – so das BAG weiter – nicht „offenkundig“ gewesen.

 

Quelle: BAG, Urteil vom 02.06.2022, 8 AZR 191/21