Trotz Quarantäneanordnung – keine Nachgewährung von Urlaub- Urteil des LAG Kiel

Trotz Quarantäneanordnung – keine Nachgewährung von Urlaub

Entscheidung des LAG Kiel zur Gültigkeit des § 9 BUrlG

Entgegen der Meinung des LAG Hamm hat nun auch das Landesarbeitsgericht Kiel in seiner Rechtsprechung die Anrechenbarkeit der Quarantäne-Tage auf den Jahresurlaub bestätigt. Damit unterstreicht es andere gleichlautende Urteile und die Revision zum BAG darf mit Spannung erwartet werden.

Als Grundlage wird die Frage gestellt, ob die Regelungen des § 9 BUrlG auch für Personen gelten, welche aufgrund der Quarantäneanordnung ihre Urlaubszeit in häuslicher Isolation verbringen müssen und selbst nicht erkrankt sind.

Quarantäne ist einer normalen Arbeitsunfähigkeit gleichzustellen


Der klagende Arbeitnehmer hatte für den Zeitraum vom 23.12. bis 31.12.2020 bei der Arbeitgeberin Urlaub beantragt. Dieser wurde gewährt und der Kläger erhielt für diese Zeit Urlaubsentgelt. Aufgrund eines Kontaktes mit einer an COVID-19 erkrankten Person musste sich der Kläger aber bereits vom 21.12.2020 bis 04.01.2021 in häusliche Quarantäne begeben. Er ist nun der Auffassung, § 9 BUrlG sei hier analog anzuwenden, da die häusliche Quarantäne einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Arbeitnehmer darstellt und die Einschränkungen durchaus mit „normaler Arbeitsunfähigkeit“ gleichzustellen sind. Der Urlaubsanspruch besteht nach Ansicht des Klägers weiterhin.

Als Begründung führte der Kläger an, dass aus dem Bundesseuchengesetz und nachfolgend dem Infektionsschutzgesetz zu entnehmen sei, dass die in § 48 Abs 1 S. 1 BSeuchG betroffen Personen (u. a. Ansteckungsverdächtige) vom Schicksal her in ähnlicher Weise betroffen sind wie Kranke. An dieser Betrachtungsweise hätte sich auch mit Inkrafttreten des IfSG nichts geändert. Die Entscheidung des BGH von 1978 (30.11.1978, Az.: III ZR 43/77) sei in diesem Zusammenhang zu betrachten.

Sowohl das Arbeitsgericht Neumünster als auch das Landesarbeitsgericht Kiel (LAG) folgten dieser Ansicht nicht.

Keine analoge Anwendung des § 9 BUrlG


§ 9 BUrlG ist nicht analog anzuwenden. Eine Analogie erfordere sowohl eine planmäßige Lücke als auch eine vergleichbare Interessenlage. Diese planmäßige Lücke ist nach Ansicht der Richter nicht gegeben, da Begrifflichkeiten wie „Ansteckungsverdächtiger“ seit langem bekannt sind und aus dem BSeuchG in das Infektionsschutzgesetz übernommen wurden. Das BAG vertritt seit 25 Jahren in solchen Fragen durchgehend die Auffassung, dass der § 9 BUrlG wegen seines Ausnahmecharakters nicht in Betracht kommt.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und eine entsprechende Regelung für den Fortbestand des Urlaubsanspruchs während eines Beschäftigungsverbotes im Mutterschutz (§ 24 S. 2 MuSchG) eingeführt. Für das Infektionsschutzgesetz hat er das nicht getan.

Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des BGH ist nach Ansicht der Kieler Richter durch verschiedene Rechtsprechungen des BAG überholt. Die letzte aktuelle Entscheidung des BAG liegt sogar schon in Pandemiezeiten (August 2020) und schließt auch dort eine Analogiefähigkeit von § 9 BUrlG aus, sodass vor diesem Hintergrund der Gesetzgeber nicht davon ausgehen konnte, dass eine über 40 Jahre alte Entscheidung noch der Rechtslage entsprach. Zudem gibt diese Entscheidung keinen Hinweis darauf, dass ein Arbeitnehmer, welcher als „Ausscheider“, aber nicht als „krank im Sinne des BUrlG“ eingestuft ist, generell seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann.

Gestaltung des Urlaubs ist Privatsache


Nach Ansicht des LAG Kiel ist der Fall einer Absonderungsanordnung „unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht mit der Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs gleichzusetzen“. Es gibt eben keinerlei Vorgaben, wie ein Arbeitnehmer seinen Urlaub zu verbringen habe. Wie genau der Arbeitnehmer sich in seinem Urlaub erholt, bleibt ihm überlassen. So könne es sein, so die Richter, dass der Urlaub zu Hause auf dem Sofa liegend verbracht werden würde. In diesem Fall kollidiere die Verwirklichung des Urlaubszwecks nicht mit der auferlegten Absonderung. Die analoge Anwendung von § 9 BUrlG kann aber nicht davon abhängen, wie ein Arbeitnehmer im konkreten Fall beabsichtigt, seinen Urlaub zu verbringen.

 

Quelle: LAG Kiel, 15.02.2022, 1 Sa 208/21