In § 9 „Erkrankung während des Urlaubs“ des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) heißt es:
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.
Dies bedeutet also, dass der Arbeitnehmer diese Urlaubstage nicht einbüßt, sondern an anderer Stelle erneut gewährt bekommt. Doch wie verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer selbst nicht erkrankt ist, sondern durch Quarantäneregelungen seinen Urlaub in Isolation verbringen muss?
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte im Januar 2022 solch einen Fall in der Berufung zu klären.
Quarantäneanordnung während des Urlaubs
Der Kläger ist seit 1993 als Schlosser bei der Beklagten beschäftigt. Es gilt der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW. Für die Zeit vom 12.10.2020 bis 21.10.2020 gewährte ihm die Beklagte 8 Tage Urlaub. Am 14.10.2020 erhielt der Kläger von der Stadt Hagen die Quarantäneanordnung für die Zeit vom 09.10. bis 21.10.2020, da er mit einer positiv auf COVID-19 getesteten Person in Kontakt war.
Laut Quarantäneanordnung ist es dem Kläger in dieser Zeit untersagt, die Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen oder Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Der Kläger informierte die Beklagte unverzüglich über die Quarantäne.
Dennoch wurde das Zeitkonto des Klägers mit den 8 Urlaubstagen belastet, wogegen sich die Klage richtete. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Doch die Berufung am LAG Hamm hatte Erfolg.
Urlaubstage können nachgeholt werden
Entgegen der Auffassung anderer Landesarbeitsgerichte sehen die Richter auch bei angeordneter Quarantäne die Gültigkeit von § 9 BurlG gegeben. Der Arbeitgeber ist selbstverständlich nicht für einen „Urlaubserfolg“ des Arbeitnehmers zuständig. Aber die Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 1 BUrlG ist nach Ansicht der Richter dazu da, dass einem Arbeitnehmer die uneingeschränkte selbstbestimmte Nutzung seiner Freizeit ermöglicht wird. Eine angeordnete Quarantäne steht dieser selbstbestimmten Nutzung nach Ansicht der Richter entgegen, da der Arbeitnehmer weder frei über seinen Aufenthaltsort oder Kontaktpersonen entscheiden kann. Außerdem muss er sich ggf. Untersuchungen unterziehen, für die er zur Verfügung stehen muss. Zusätzlich sah das Gericht die psychische Belastung dieser Zeit aufgrund der Sorge um einen möglichen Ausbruch und schweren Verlauf.
Der Arbeitgeber wurde dazu verurteilt, die 8 Urlaubstage dem Urlaubsanspruch erneut gutzuschreiben.
Revision und anderslautende Urteile
Allerdings wurde eine Revision zum BAG zugelassen. Andere Gerichte, wie das LAG Schleswig-Holstein, LAG Düsseldorf oder LAG Köln urteilten bisher für die Anrechenbarkeit der Quarantäne-Tage auf den Jahresurlaub. Auch das LAG Kiel hat in seinem Urteil vom 15.02.2022 für die Anrechenbarkeit geurteilt. Die Entscheidung vom BAG darf dazu also mit Spannung erwartet werden.
Quelle: LAG Hamm, 27.1.2022, 5 Sa 1030/21