Kündigungsschutz für werdende Mutter gilt auch vor Dienstantritt

Kündigungsschutz für werdende Mutter gilt auch vor Dienstantritt

Kündigung einer Schwangeren noch vor dem ersten Arbeitstag - ist das Rechtens?

Gemäß § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt für schwangere Frauen ein besonderer Kündigungsschutz. Demnach ist eine Kündigung während der Schwangerschaft unzulässig. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber erst innerhalb der nächsten 14 Tage nach Kündigungszugang über die Schwangerschaft informiert wurde. Ist eine Frau bei Zugang der Kündigung unwissentlich schwanger und erfährt dies beispielsweise auch erst 3 Wochen später, so gilt hier eine erweiterte Widerspruchsmöglichkeit über die 14-tägige Frist hinaus.

Doch wie verhält sich dieser Kündigungsschutz, wenn die Kündigung der Schwangeren noch vor Dienstantritt erfolgt? Gilt der Schutz ebenso für werdende Mütter, welche einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber geschlossen aber die neue Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben? Diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht Hessen zu klären.

Schwangerschaft vor dem ersten Arbeitstag


Die Klägerin des zugrundeliegenden Falles schloss mit der Beklagten 2017 einen Vertrag über eine Teilzeittätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte. Das Arbeitsverhältnis sollte am 01.02.2018 beginnen. Es wurde eine sechsmonatige Probezeit mit einer 14-tägigen Kündigungsfrist vereinbart. Zudem verpflichtete sich die Klägerin, im Falle einer schuldhaften Nichtaufnahme oder vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit, eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts zu zahlen.

Mit Schreiben vom 18.01.2018 informierte die Klägerin die Beklagte über ihre Schwangerschaft und das vollständige Beschäftigungsverbot aufgrund einer chronischen Vorerkrankung. Daraufhin kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 30.01.2018 zum 14.02.2018. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Kassel hatte Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde abgelehnt.

Findet das Mutterschutzgesetz schon Anwendung?


Für die Richter stellte sich zuerst die Frage, ob hier der Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes bereits eröffnet ist, auch wenn erstmal nur der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Und diese Frage beantworteten sie klar mit einem Ja. Denn die Ziele des Mutterschutzgesetzes sind zum einen der Schutz vor Diskriminierung und zum anderen der Gesundheitsschutz. Sollte also die Anwendung des MuSchG erst mit Aufnahme der Tätigkeit stattfinden und damit eine vorherige Kündigung zulässig machen, so widerspreche dies den genannten Zielen. Der Kündigungsschutz des MuSchG soll möglichen psychische und physische Gefahren, die aus einer Kündigung heraus entstehen, vorbeugen und damit das Wohl der Mutter und des ungeborenen Kindes schützen.

Außerdem würde eine Anwendung des MuSchG erst ab tatsächlichem Tätigkeitsantritt gegen die Regelung des Art. 6 Abs 4 Grundgesetz verstoßen. Danach hat jede Mutter einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

Gegen diese Entscheidung wurde die Revision zum BAG zugelassen. Eine Entscheidung wird in den kommenden Wochen erwartet. Wir werden Sie dazu weiter informieren.

 

Quelle: LAG Hessen, 13.06.2019, 5 Sa 751/18