Darf der Betriebsrat ohne vorherige Information oder Erlaubnis der Arbeitgebenden die Mitarbeitenden im Betrieb mittels Fragebogen befragen? Oder gehört dies nicht zum Aufgabenfeld eines Betriebsrates? Für diese und weitere Fragen traf nun das Sächsische Landesarbeitsgericht eine Entscheidung.
Mitarbeiterbefragung ohne vorherige Ankündigung
Die beteiligten Parteien sind zum einen der Gemeinschaftsbetriebsrat, zum anderen die drei selbständigen Unternehmen, welche einem Gemeinschaftsbetrieb angehören. Darunter ein Ambulanter Pflegedienst. In diesem Ambulanten Pflegedienst hatte der Gemeinschaftsbetriebsrat die Beschäftigten angeschrieben, um eine Mitarbeiterbefragung zur aktuellen Gefährdungslage im Betrieb durchzuführen. Diesem Schreiben lag ein Fragebogen bei, welcher nun von den Arbeitgebenden beanstandet wurde. Sie forderten den Gemeinschaftsbetriebsrat auf, alle Fragebögen zurückzuziehen und zu vernichten. Doch auf diese Forderung ging der Betriebsrat nicht ein.
Nach Ansicht der Arbeitgebenden ist eine solche Aktion ohne vorherige Information und ohne vorheriges Einverständnis ihrerseits unzulässig. Sollte hierbei keine Einigung erzielt werden, müsse vor Befragung zuerst ein Spruch der Einigungsstelle erfolgen. Außerdem enthalte das Betriebsverfassungsgesetz keine Rechtsgrundlage für die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung durch den Betriebsrat. Der vorliegende Fragebogen würde zudem durch Suggestivfragen zur Diskreditierung der Arbeitgebenden führen und währe mit Blick auf den Gesundheitsschutz mitbestimmungspflichtig. Außerdem untersagten die Arbeitgebenden dem Betriebsrat, den Fragebogen auszuwerten und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Ein Verstoß dagegen würde eine grobe Pflichtverletzung darstellen.
Betriebsrat kann selbst Kommunikationsmittel wählen, solange es in seinen Zuständigkeitsbereich gehört
Dagegen wehrte sich der Betriebsrat. Seiner Meinung nach ist ein Fragebogen eine einfache, schnelle und effektive Methode, die aktuelle Situation am Arbeitsplatz festzustellen. Mit dem vorliegenden Fragebogen habe der Betriebsrat nur seiner Pflicht nachkommen wollen, die Gefährdungslage der Beschäftigten zu ermitteln.
Sowohl das Arbeitsgericht Leipzig als nun auch das Sächsische Landesarbeitsgericht sahen hier den Betriebsrat im Recht. Der Betriebsrat habe im Sinne des Partnerschaftsgedankens ebenso eine Mitverantwortung für den Betrieb und eine Selbstverantwortung für die Arbeitnehmerbelange. Zwar enthält das Betriebsverfassungsgesetz keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift über die Zulässigkeit einer Mitarbeiterbefragung mittels Fragebogen. Dennoch geht es, nach Ansicht der Richter, vielmehr darum, ob die dahinterstehende Frage vom Inhalt her zu den Aufgaben eines Betriebsrates nach dem BetrVG gehört und ob dabei der Zuständigkeitsbereich eingehalten wird. Wenn das der Fall ist, dann kann der Betriebsrat selbst die Mittel wählen, solange sie nicht entgegen gesetzlichen Vorgaben sind.
Im vorliegenden Fall sahen die Richter weder einen Eingriff in die Arbeitgebersphäre noch eine Störung des Betriebsablaufs. Ein ständiger Meinungsaustausch mit den Arbeitnehmenden ist eine wichtige Aufgabe des Betriebsrates zur Wahrung des Wohls der Arbeitnehmenden (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Die Kommunikation zu allen betrieblichen Fragen kann sowohl im persönlichen Gespräch erfolgen als auch über andere Wege – wie eben in diesem Fall – den Fragebogen. Eine ausschließliche Beschränkung auf Sprechstunden oder Betriebsversammlungen lässt sich im Gesetz nicht finden. Der Betriebsrat ist nach Ansicht des Gerichts frei darin zu entscheiden, welchen Kommunikationsweg er wählt.
Beteiligungsrechte nach § 94 BetrVG – keine umgekehrte Wirkung
Auch § 94 BetrVG steht einer Fragebogenaktion nicht im Weg. Die darin genannten Beteiligungsrechte bei der Einführung von Personalfragebögen durch den Arbeitgeber kommen ausschließlich dem Betriebsrat zu. Eine umgekehrte Wirkung gibt es nicht.
Die Verwertung der Ergebnisse der Fragebogenaktion ist rechtmäßig. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält auch hierzu keinen derartigen Unterlassungsanspruch.
Quelle: Sächsisches LAG, Beschluss vom 15.7.2022, 4 TaBVGa 1/22
Stand der Informationen: Februar 2023