Massenentlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen müssen nach § 17 KSchG vorher mit dem Betriebsrat abgestimmt und ordnungsgemäß der Agentur für Arbeit angezeigt werden. Dieser Schutz wird europarechtlich durch die Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie) festgelegt. Unter „Entlassung“ ist die Kündigungserklärung zu verstehen (Rechtsprechung des EG 27.01.20015).
Der Fall: Entlassungswelle während der Elternzeit
Der sechste Senat des BAG bestätigte eine Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin vom 10. März 2010. Diese befand sich zur Zeit einer Betriebsstilllegung und der damit verbundenen Massenentlassung in Elternzeit. Ihr Arbeitsverhältnis wurde erst mit Ablauf der 30 Kalendertage gekündigt und das, obwohl die Kündigungen der übrigen Arbeitsverhältnisse mangels ordnungsgemäßer Konsultation des Betriebsrates unwirksam waren (BAG 25.04.2013 – 6 AZR 49/12).
Das Urteil: Benachteiligung wegen Elternzeit und Geschlecht
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 08.06.2016 – 1 BvR 3634/13 dieses Urteil aufgehoben, weil es die Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 iVm. Art. 6 GG verletze. Die Klägerin werde aufgrund ihrer Elternzeit und Ihres Geschlechts benachteiligt, wenn ihr der Schutz vor Massenentlassung versagt werde, weil das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung dazu geführt habe, dass die Kündigung erst nach Ablauf der 30 Kalendertage erklärt wurde.
Der 30-tägige Zeitraum sei in diesen Fällen gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei.
An diese Erweiterung des Entlassungsbegriffes durch das Bundesverfassungsgericht bei Massenentlassungen ist der 6. Senat des BAG gebunden. Und dies auch, wenn die behördliche Zustimmung bei Elternzeit erst nach der 90-tägigien Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG erteilt wird oder wenn bei einer Arbeitnehmerin in Elternzeit die Kündigung als solche zugleich Teil einer zweiten Welle von Kündigungen ist, welche ebenfalls § 17 KSchG unterfallen. Daraufhin hat der 6. Senat des BAG auf Revision der Klägerin festgestellt, dass die Kündigung vom 10. März 2010 unwirksam war.
Nachzulesen: Pressemitteilung des BAG 4/17