Honorarkräfte im Pflegeheim und Krankenhaus - Sozialversicherungspflicht ja oder nein?

Honorarkräfte im Pflegeheim und Krankenhaus

Fachkraftmangel befördert „neues Geschäftsmodel“

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Wohin wir auch schauen: Der Fachkraftmangel hat fast überall Einzug gehalten. Besonders schwierig gestaltet sich die Situation in Krankenhäusern und Pflegeinrichtungen. Diese Einrichtungen haben einen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Dieser kann nur erfüllt werden, wenn ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden ist. Immer mehr Mitarbeiter machen aus dieser Not eine Tugend: Sie hängen ihren sozialversicherungspflichtigen Job an den Nagel und sind nunmehr als Freiberufler – sogenannte Honorarpflegekräfte – unterwegs.

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Besonderheiten der Freiberufler in der Alten- und Krankenpflege

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Fakt ist: Eine Honorarpflegekraft muss sich privat absichern und ihre Altersvorsorge genauso im Auge behalten, wie die Absicherung für den Krankheitsfall oder Arbeitslosigkeit. All das kostet viel Geld. Fakt ist auch: Eine Honorarpflegekraft wird immer dann von Betreibern der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gebucht, wenn dort Personalnot herrscht. Und sie gehen wieder, wenn die Not vorbei ist. Kein Kündigungsschutz. Kein Urlaubsanspruch. Zugehörigkeit zu Teams? – Fehlanzeige! Gut gebucht sind sie trotzdem. Von Auftragsmangel keine Spur. Freiberufler sind die Gewinner des Fachkraftmangels.

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Was macht die Tätigkeit als Honorarkraft so attraktiv?

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Krankenhaus- und Pflegeheimbetreiber gehen mit dem Einsatz von Honorarpflegekräften keinerlei wirtschaftliches Risiko und keine weitergehende Verpflichtung gegenüber diesen Menschen ein. Ihr Einsatz kann genauso schnell enden, wie er begonnen hat. Das lassen sich Honorarpflegekräfte in der Regel gut bezahlen: Ihr Honorar übersteigt das Gehalt eines sozialversicherungspflichtigen Alten- oder Krankenpflegers um ein Vielfaches. Und das selbst dann, wenn im Haus ein Tarif existiert. Sogar Leiharbeit ist längst nicht so teuer wie der Einsatz von Freiberuflern. Gut verdientes Geld also. Und die Auftraggeber zahlen bereitwillig.

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Ein Blick hinter die Kulissen: Die Arbeitsbedingungen einer Honorarpflegekraft

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In der Regel ist eine Honorarpflegekraft für mehrere Auftraggeber gleichzeitig tätig. Einsätze und Dienste vereinbaren sie individuell. Sie sind – wie ihre sozialversicherungspflichtigen Kolleg*innen – im Tag- und Nachtdienst, wochenends und feiertags und mit gleichartigen Tätigkeiten beschäftigt. Der Unterschied besteht darin, dass sie grundsätzlich weisungsfrei arbeiten – ein Kennzeichen der Freiberuflichkeit. Sie suchen sich in der Regel ihre Dienste aus, schreiben quasi ihren „Dienstplan“ selbst. Sie suchen sich in der Regel aus, welche Patienten bzw. Bewohner sie pflegen oder versorgen, welche Tätigkeiten sie übernehmen. So ganz ohne Abstimmung mit den fest angestellten Mitarbeitern geht das freilich nicht. Und auch Vorgaben des Auftraggebers, z. B. wie bestimmte Aufgaben zu erledigen sind, sind grundsätzlich zu beachten. Zudem ist eine gewisse Eingliederung in die betriebliche Organisation des Auftraggebers erforderlich.

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Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als Verlierer?

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Zumindest werden viele sozialversicherungspflichtige Alten- und Krankenpfleger dieses Gefühl nicht los: Das ist häufig dann der Fall, wenn ihre „Kolleg*innen“ freiberuflich als Honorarpflegekraft neben ihnen tätig sind.

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Ist der Einsatz von Honorarpflegekräften rechtlich zulässig?

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Betriebsräte zweifeln daran schon längere Zeit. Denn die Tätigkeit der Honorarpflegekräfte unterscheidet sich kaum von denen ihrer sozialversicherungspflichtigen Mitstreiter*innen. Und inzwischen zweifeln daran wohl auch einige Auftraggeber: Vorsorglich behalten sie Sozialversicherungsbeiträge vom vereinbarten Honorar ein und führen diese an die Träger der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung ab. Die betroffenen Honorarpflegkräfte erhalten dadurch deutlich weniger Honorar als vereinbart. Ein Rechtsstreit ist vorprogrammiert.

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Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht von Honorarpflegekräften

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Das BSG hat gerade in einer Reihe von Fällen über diese Frage entschieden. Zu allererst kam das BSG zu dem Schluss, dass es sich bei Honorarpflegekräften um abhängig Beschäftigte handelt. Sie sind gerade nicht als Selbständige anzusehen. Damit unterliegen sie der Sozialversicherungspflicht für alle Zweige der Sozialversicherung.

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Die Begründung des BSG

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Gerade die regulatorischen Vorgaben sind bei der Gewichtung der Indizien zur Beurteilung der Versicherungspflicht zu berücksichtigen. Sie führen im Regelfall zur Annahme einer Eingliederung der Pflegefachkräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung. Dagegen sind unternehmerische Freiheiten bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung kaum denkbar. Selbstständigkeit kann nur ausnahmsweise angenommen werden. Hierfür müssen dann aber gewichtige Indizien sprechen. Freiräume bei der Auswahl der Patienten, der Reihenfolge der pflegerischen Tätigkeiten oder bei der Auswahl der zu übernehmenden Dienste reichen hierfür aber nicht aus.

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Ist eine andere Bewertung durch die Besonderheiten des Fachkraftmangels möglich?

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Nein! Auch der vorhandene Mangel an Pflegefachkräften ändert daran nichts: Die sozialrechtlichen Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können auch in Mangelberufen nicht aufgehoben werden. Denn gerade diese dienen sowohl der Versichertengemeinschaft als auch den einzelnen Versicherten. Daran ändert auch der Wunsch nichts, eine Steigerung der Attraktivität des Berufs des Alten- und Krankenpflegers durch eine – von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ – höhere Entlohnung zu ermöglichen.

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Quelle: BSG v. 7.6.2019 – B 12 R 6/18 R u.a.

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