Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern erlaubt

Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern erlaubt

Die Entscheidung, einer Gewerkschaft beizutreten, sollte jeder Arbeitnehmer für sich selbst aus freien Stücken treffen. Druck oder sogar Zwang zum Beitritt widerspricht Art. 9 Abs. 3 unseres Grundgesetzes. Kommt es nun zu einer Besserbehandlung von Gewerkschaftsmitgliedern in einem Tarifvertrag, so könnten sich Nichtgewerkschaftsmitglieder benachteiligt bzw. zum Beitritt genötigt fühlen. Daher stellt sich die Frage, ob solch eine Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern verfassungswidrig ist.

Grundlage der Verfassungsbeschwerde waren Bestimmungen zu Überbrückungs- und Abfindungsleistungen in einem Sozialtarifvertrag. Nur wer zu einem bestimmten Stichtag Mitglied in der Gewerkschaft war, sollte bestimmte Leistungen erhalten. Der Beschwerdeführer des Falles erhielt die genannten Leistungen nicht, da er keiner Gewerkschaft angehörte. Er wurde lediglich arbeitsvertraglich und durch einen Sozialplan begünstigt. Nun forderte er mit seiner Klage die weiteren Leistungen und wollte gegen diese „Differenzierungsklausel“ vorgehen.

Bundesverfassungsgericht sieht keinen Verstoß gegen das Grundgesetz


Das Bundesverfassungsgericht sahen hierbei jedoch keine Grundrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG. Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, kann nicht als Zwang oder Druck in Richtung einer Mitgliedschaft gesehen werden, solange sich nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt.

Auch folgte das BVerfG der Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes von 2016, dass hier kein höherer Druck erzeugt wird als derjenige, der sich stets ergibt, wenn individualvertragliche Vereinbarungen hinter den Abreden zurückbleiben, die Gewerkschaften im Wege eines Tarifvertrages nur für ihre Mitarbeiter treffen können.

Verletzung der Arbeitsvertragsfreiheit sei nicht erkennbar


Des Weiteren rügte der Beschwerdeführer, dass die Schutzpflicht zugunsten seiner Arbeitsvertragsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) von den Vorinstanzen verkannt wurde, denn der ihm angebotene Formularvertrag mit Verweis auf den Sozialtarifvertrag sei nicht verhandelbar gewesen. Die Arbeitsgerichte hätten ihn zu Unrecht keiner Inhaltskontrolle unterzogen.

Auch hierzu folgten die Richter der 2. Kammer des BVerfG den Arbeitsrichtern. Abhängig Beschäftigte befänden sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischer Weise in einer Situation struktureller Unterlegenheit. Daher sind Vorkehrungen zu treffen, um sie zu schützen, wie z. B. durch Tarifverträge. Bei diesen könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie die Interessen beider Parteien sachgerecht zum Ausgleich bringen. Die betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen, welche auch für den Beschwerdeführer gelten, sind dazu geeignet gewesen, eine solche Unterlegenheit aufzufangen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, 14.11.2018, 1 BvR 1278/16