Ein sogenannter Zufallsfund aus einer (gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gerechtfertigten) versteckten Videoüberwachung führt zur Kündigung einer Arbeitnehmerin. Ist diese Kündigung rechtswidrig? Darüber hatte das BAG in seinem Urteil vom 22.09.2016 zu entscheiden.
Der Fall: Stellvertretende Filialleiterin wird bei unerlaubtem Kassengriff gefilmt
Die Klägerin war bei einem Supermarkt sei 15 Jahren beschäftigt, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin. Hauptsächlich war sie aber an der Kasse eingesetzt. Die Beklagte stellte im Oktober 2013 einen zehnfach erhöhten Inventurverlust zur vorherigen Inventur in den Warengruppen Zigaretten/Nonfood fest. Nach erfolglosen internen Revisionsmaßnahmen und Taschenkontrollen der Mitarbeiter installierte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrates für zwei Wochen eine verdeckte Videoüberwachung. Hierbei sollte sich die Videoüberwachung gezielt gegen zwei Tatverdächtige richtigen. Die Filiale wurde außerdem unabhängig davon offen videoüberwacht.
Bei dieser Überwachung wurde die Klägerin zufällig dabei aufgenommen, wie sie eine „Musterpfandflasche“ über den Scanner zog, eine Leergutregistrierung vornahm, die Kassenschublade öffnete und Geld aus der Kassenlade entnahm und einsteckte. Der Pfandbon wies eine Barauszahlung in Höhe von 3,25 Euro aus. Daraufhin erfolgte mit Zustimmung des Betriebsrates die fristlose – hilfsweise ordentliche – Kündigung der Klägerin.
Diese reichte fristgemäß Kündigungsschutzklage ein. Im Kündigungsschutzprozess führte die Klägerin an, sie habe am Morgen des besagten Tages Pfandflaschen eingeworfen und erst zu dem Zeitpunkt der Videosequenz eigenhändig abgerechnet. Videoaufnahmen, welche diese Aussage bestätigen, konnten nicht vorgelegt werden.
Das Urteil: Videoüberwachung erlaubt, Kündigung gerechtfertigt
Das BAG war der Auffassung, die Manipulation des Kassenvorgangs zum Zwecke der Bereicherung sei ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Der Vertrauensbruch wiege bei der Klägerin als stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer und könne auch nicht durch die langjährige unbeanstandete Beschäftigung und der geringen Schadenshöhe von 3,25 Euro aufgewogen werden.
Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen eines Eingriffs der Beklagten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin sowie ihr Recht am eigenen Bild läge nicht vor. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die verdeckte Videoüberwachung sei aufgrund der Inventurdifferenz, der erfolglos gebliebenen Aufklärungsversuche und des konkreten Verdachts gegen zwei Mitarbeiterinnen gerechtfertigt. Eine verdeckte Videoüberwachung zu Aufdeckung von Straftaten von Beschäftigten darf nicht nur dann erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass ausschließlich nur die Arbeitnehmer gefilmt werden, gegen die ein Verdacht besteht. Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG.
Die Verwertung eines „Zufallsfundes“ aus einer gem. § 32 Absatz 1 Satz 2 BDSG gerechtfertigten verdeckten Videoüberwachung kann nach § 31 Absatz 1 Satz 1 BDSG zulässig sein.
Quelle: BAG, 22.09.2016, 2 AZR 848/15