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Für viele Arbeitnehmer ist es schon fast ein Glücksfall, wenn sie nach der Arbeit einen Arzttermin bekommen. Zumindest dann, wenn es kurzfristig sein muss. Wird dann der Arzttermin unmittelbar vor oder nach der Arbeitszeit gelegt und es geschieht auf dem Weg ein Unfall, stellt sich die Frage, ob hier ein Arbeitsunfall vorliegt.
Ende Februar haben die Richter des Sozialgerichtes Düsseldorf in solch einem Fall entschieden. Ein Arbeitnehmer war auf dem Rückweg zu seiner Arbeitsstelle nach einem Besuch bei seinem Orthopäden in einen Verkehrsunfall verwickelt. Er verletzte sich erheblich. Dennoch lehnte die zuständige Berufsgenossenschaft die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Nach ihrer Ansicht stellt der Weg zum Arzt und zurück eine unversicherte private Tätigkeit dar.
Arztbesuch ist dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen
Dagegen legte der Arbeitnehmer Klage ein. Doch auch die Richter des Sozialgerichtes Düsseldorf folgten der Ansicht der Unfallkasse. Der Kläger habe sich nicht auf einem versicherten Betriebsweg befunden. Auch wenn der Arztbesuch der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitskraft und damit betrieblichen Belangen diene, ist er dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzuordnen und daher unversichert.
Mit ihrem Urteil bezogen sich die Richter auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes von 2016 (B 2 U 16/14 R).
In diesem Fall war der Kläger am Morgen vor Arbeitsbeginn mit dem Fahrrad zu seinem Hausarzt unterwegs. Dort hatte er einen kurzen Termin zur Blutabnahme, welcher sich mehrmals im Jahr wiederholte. Ein späterer Arbeitsbeginn war mit seinem Chef abgesprochen. Für diesen Arztbesuch verließ er seine übliche Strecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte, wobei der letzte Teil der Strecke mit dem üblichen Arbeitsweg wieder identisch war. Er hielt sich 40 Minuten in der Arztpraxis auf. Kurz nach dem Verlassen der Praxis stieß er mit einem Kraftfahrzeug zusammen und erlitt Verletzungen. Zu diesem Zeitpunkt war er allerdings noch nicht auf seinem üblichen Arbeitsweg.
Die zuständige Unfallversicherung lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall allerdings ab. Als Begründung wurde angeführt, dass sich der Versicherte nicht auf seinem direkten Arbeitsweg befunden und sich auf einem unversicherten Abweg befunden habe. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Arztbesuch steht in keinem Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit
Sowohl das Sozialgericht Regensburg als auch das Bayerische Landessozialgericht wiesen die Klage und die Berufung gegen diese Entscheidung zurück. Die Richter begründeten dies damit, dass der Arztbesuch in keinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Vielmehr fällt der Arztbesuch unter den Begriff der eigenwirtschaftlichen Verrichtung. Die Billigung des Termins durch den Arbeitgeber sei für den Versicherungsschutz hierbei nicht ausschlaggebend.
Zudem hat der Kläger auch keinen versicherten Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte zurückgelegt, weil dieser Weg durch den Arztbesuch mehr als geringfügig unterbrochen wurden war.
Die Richter des BSG wiesen die Revision des Klägers ebenfalls zurück. Er sei zwar als Lagerarbeiter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Dennoch habe der Kläger unmittelbar vor dem Unfallereignis keine versicherte Tätigkeit verrichtet. Er legte während des Überquerens der Straße unmittelbar vor dem Unfallereignis weder einen versicherten Betriebsweg noch einen versicherten Weg zur Arbeitsstätte zurück.
Kein Wegeunfall, da Mindestverweildauer nicht erreicht
Ebenso konnte hier nicht von einem Wegeunfall gesprochen werden. Dieser setzt, nach Rechtsprechung der Richter des Bundessozialgerichtes, eine Verweildauer von mindestens zwei Stunden voraus. Dieses zeitliche Kriterium gelte sowohl für einen versicherten Weg von und zu einem dritten Ort, als auch für den Wegfall des Versicherungsschutzes bei Unterbrechung eines versicherten Weges. Diese Abgrenzung sei aber besonders notwendig. Denn sollte jede kurzzeitige Unterbrechung des Arbeitsweges als ein eigenständiger versicherter Weg in die Unfallversicherung fallen, würde zum einen der Umfang des Versicherungsschutzes erheblich erweitert. Zum anderen würde, zu Lasten der Versicherten, jede kurze, mehr als geringfügige Unterbrechung des Heimweges von der Arbeit zu privaten Zwecken den Versicherungsschutz trotz späterer Fortsetzung des Weges endgültig entfallen lassen.
Quellen:
Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.02.2018, S 36 U 131/17
Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2016, B 2 U 16/14 R