Aktuelle Urteile - Schulungsanspruch auch für Ersatzmitglieder des Betriebsrates?

Schulungsanspruch auch für Ersatzmitglieder des Betriebsrates?

Hat ein 3. Ersatzmitglied einer Liste ebenfalls Anrecht auf den Besuch von einer Grundschulung im Betriebsverfassungsrecht und die Kostenübernahme durch den AG? Dieser Frage hatte das LAG Schleswig-Holstein nachzugehen.

Der Fall


Im zugrundeliegenden Fall war Herr K. seit der Wahlperiode 2014 drittes Ersatzmitglied und sollte mit dem Beschluss vom 19.05.2014 eine Schulung zu einem Grundlagenseminar BetrVG besuchen. Die Arbeitgeberin lehnte daraufhin die Kostenübernahme ab.

Der Betriebsrat stellte fest, dass das dritte Ersatzmitglied der Liste Herr P., dessen Platz jetzt Herr K. einnehme, im Jahr 2012 an 28 von 64 BR-Sitzungen (43,75%) und 2013 an 30 von 59 BR-Sitzungen (50,85%) teilgenommen habe. Damit sei ein Schulungsanspruch für Herrn K. gegeben.

Die Entscheidung des Gerichts


Der Betriebsrat hat bei der von ihm anzustellenden Prognose einen Prognosespielraum. Die tatsächlichen Grundlagen der Prognose sind jedoch auszuweisen und einer gerichtlichen Beurteilung nicht entzogen. Auch hat der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum, wenn es um die Entscheidung geht, ob er für die Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit ein oder mehrere Ersatzmitglieder schulen lässt.

Der Betriebsrat konnte unter Zugrundelegung der Zahlen aus der Vergangenheit nachweisen, dass von einer durchschnittlichen Heranziehungsquote des Herrn K. von mehr als 40% auszugehen ist. Angesichts des Umfangs der zu erwartenden Heranziehung von Herrn K. zu den BR-Sitzungen konnte der BR auch seine Arbeitsfähigkeit nicht durch andere zumutbare, finanziell die Arbeitgeberin weniger belastende Maßnahmen gewährleisten. Eine Verlegung der Sitzungen im Hinblick auf die Verhinderung des Betriebsratsmitgliedes kommt angesichts der Häufigkeit der BR-Sitzungen bei der Arbeitgeberin ebenfalls nicht in Betracht. Eine jeweilige Vorabinformation und Vermittlung von betriebsverfassungsrechtlichen Kenntnissen im Vorfeld einer jeden Sitzung steht laut Gericht in keiner Relation zu den einmaligen Schulungskosten. Betriebsferien gibt es bei der Arbeitgeberin nicht, sodass der BR insoweit nicht überlegen konnte, dass ein Teil der Verhinderungsfälle in diesen Zeitraum fallen würde und Urlaubsvertretungen nicht so häufig anfallen.

Die Leitsätze


Von Bedeutung sind die Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat und die Heranziehungszahlen des 3. Ersatzmitglieds derselben Liste in der Vergangenheit.

Eine Entsendung ist demnach möglich, wenn andere Mittel zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats nicht erfolgversprechend erscheinen und aufgrund der Zahlen in der Vergangenheit von einer Heranziehung zu mehr als 40% aller BR-Sitzungen auszugehen ist.

Anders als bei ordentlichen Mitgliedern hat der Betriebsrat bei der Erforderlichkeit von Schulungsmaßnahmen für Ersatzmitglieder zu prüfen, ob er seine Arbeitsfähigkeit nicht durch andere ihm zumutbare und den Arbeitgeber finanziell weniger belastende Maßnahmen gewährleisten kann. Des Weiteren können auch die Größe des Betriebsrates, die Anzahl der vertretenen Gruppen und Listen, das Vorhandensein von Betriebsferien etc. von Bedeutung sein.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin genügt es, wenn der Betriebsrat die Umstände, die seine Prognoseentscheidung beeinflusst haben, im arbeitsgerichtlichen Verfahren darlegt. Eine vorgerichtliche Erörterung mit dem Arbeitgeber ist nicht erforderlich. Entscheiden ist, dass die herangezogenen Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits vorgelegen haben.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es entscheidend ist, in welchem Umfang der Vorgänger von Herrn K. in der vorangegangenen Wahlperiode zu Beschlussfassungen herangezogen worden war.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.04.2016, 1 TaBV 63/15