Nachträgliche Änderungen eines Arbeitsvertrages bedürfen des Einverständnisses beider Seiten. Dies kann zum Beispiel in einem Mitarbeitergespräch erfolgen oder auch als kollektive Vereinbarungen durch Tarifverträge. Ob eine solche Änderung schriftlich zu erfolgen hat, wird meist durch eine sogenannte Schriftformklausel im Arbeitsvertrag bestimmt. So lautet der Passus dazu beispielsweise: „Änderungen oder Ergänzungen des Arbeitsvertrags müssen schriftlich erfolgen.“
Nun hat das Landesarbeitsgericht Thüringen eine besondere Art der Vereinbarung als rechtskräftig erklärt: Das beiderseitig unterzeichnete Protokoll einer Betriebsversammlung.
Änderung der Vergütung von Fahrtzeiten als Thema einer Betriebsversammlung
Der Kläger war als angestellter Tischler bei der Beklagten beschäftigt. Dabei fuhr er wochenweise auf Montage. Die dabei anfallende Fahrtzeit wurde vom beklagten Unternehmen bis März 2005 zu 100 Prozent vergütet. Sein Arbeitsvertrag enthielt die sogenannte doppelte Schriftformklausel, wonach Änderungen des Vertrages der Schriftform bedürfen und auch ein Abweichen von dieser Schriftformerfordernis nur schriftlich erfolgen kann.
Während einer Betriebsversammlung wurden Einsparmaßnahmen angekündigt. Demnach sollten ab Mai 2006 nur noch 50 Prozent der Fahrtzeit vergütet werden. Diese Regelung wurde dann im Protokoll der Betriebsversammlung festgehalten und von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschrieben.
Nun forderte der Kläger die Auszahlung der für den Zeitraum Oktober 2016 bis März 2019 nicht gezahlten Vergütung in Höhe von 4.686,51 Euro. Seiner Meinung nach habe er einer arbeitsvertraglichen Änderung nicht ausdrücklich zugestimmt. Die Unterschrift unter dem Protokoll sei zumindest dazu nicht ausreichend gewesen.
Sowohl das Arbeitsgericht Gera als auch das Landesarbeitsgericht Thüringen wiesen die Klage ab.
Richter sehen klare Willenserklärung
Da die Beschäftigten und das Unternehmen unter dem Protokoll der Betriebsversammlung unterschrieben haben, wurde eine zuvor bestehende Vereinbarung zur vollständigen Bezahlung der Fahrtzeiten abgeändert. Neben der Überschrift des relevanten Abschnitts mit „Neuregelung zum Arbeitsvertrag ab Mai 2006“ wird im Protokoll auf die bereits im April 2005 getroffene und seitdem umgesetzte Fahrtzeit-Vergütungsregelung Bezug genommen. Damit ist für die Richter klar, dass der Arbeitgeber hier die Abänderung des Arbeitsvertrages beabsichtigt. Auch ein objektiver Dritter und somit auch der Tischler hätten dies, nach Ansicht des Gerichts, erkennen können. In der vorbehaltlosen Unterzeichnung des Protokolls sahen die Richter unter Berücksichtigung der erkennbaren Interessenlage die Zustimmung zur Neuregelung des Arbeitsvertrages.
Die vereinbarte Schriftform ist durch die Unterschriften beider Parteien auf dem Protokoll vom 05.05.2006 gewahrt.
Auch ist die abweichende Vergütung von Fahrtzeiten zur Vergütungshöhe von sonstigen Arbeitszeiten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zulässig.
Quelle: LAG Thüringen, 07.06.2022, 1 Sa 43/21