Der Anspruch auf den Besuch von Schulungen für Betriebsräte und andere Mitarbeitervertretungen ist gesetzlich geregelt. Für Grundlagenschulungen gilt bei Betriebsräten die Regelung des § 37 Abs. 6 BetrVG. Der Arbeitgeber muss danach das jeweilige Betriebsratsmitglied von der Arbeit freistellen und hat die Kosten der Fortbildungsmaßnahme zu tragen. Dazu muss in einer ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung der Beschluss gefasst und im Anschluss dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Die betriebliche Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ist dabei immer zu berücksichtigen. Gleiches gilt auch für Spezialseminare – hierbei ist die Erforderlichkeit jedoch nur gegeben, wenn ein konkreter betrieblicher Bedarf besteht.
Die Themen Betriebsratsschulung, Kostenübernahme und Freistellung sorgen leider immer wieder für Zündstoff zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Nicht selten münden solche Streitigkeiten in einer gerichtlichen Entscheidung. Keine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Dabei liegen die Vorteile eines gut geschulten Betriebsrates doch auf der Hand: Mit rechtlichem Wissen kann er sich für die Belange der Mitarbeiter einsetzen, für ein gutes Betriebsklima sorgen und so Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität auf lange Sicht steigern. Außerdem steht er dem Arbeitgeber beratend zu Seite, macht diesen auf Probleme aufmerksam und kann im Idealfall bei der Lösung helfen. Bei der Höhe der Schulungskosten sowie der Dauer und der Häufigkeit von Schulungsbesuchen ist es dennoch sinnvoll, auch bei bestehendem rechtlichem Anspruch, ein gesundes Maß zu finden. Doch auch wenn diese Punkte subjektiv gesehen ordnungsgemäß eingehalten wurden, beim Verständnis von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit klaffen oftmals weite Lücken.
Arbeitgeber verweigert Zustimmung zum Schulungsbesuch von Betriebsratsmitgliedern
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Eine solche Streitigkeit hatte das Arbeitsgericht Aachen im Februar 2019 zu beurteilen. Hierbei sollten zwei Mitglieder eines neunköpfigen Betriebsrates eine 3,5-tägige Schulung zum Thema „Betriebliches Eingliederungsmanagement – Teil 1“ besuchen. Dafür wurde in einer Betriebsratssitzung ordnungsgemäß der Beschluss gefasst. Die Arbeitgeberin wurde darüber mit einem Schreiben in Kenntnis gesetzt. Diesem Schreiben war die Seminarausschreibung beigefügt. Aus dieser gingen die Seminarkosten von 1.343,00 Euro zzgl. MwSt. pro Teilnehmer hervor.
Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme für das Seminar ab und verwies auf ein 1-Tages-Seminar von einem anderen Anbieter in Köln mit 385,- Euro pro Person. Die dagegen gerichtete schriftliche Geltendmachung hatte keinen Erfolg. Vielmehr bestritt die Arbeitgeberin hierauf die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme. Begründung: Die BR-Mitglieder sind seit April 2018 regelmäßig im Eingliederungsmanagement problemlos beteiligt und Fragen des BEM sind in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelt.
Zwischenzeitlich hatte der Betriebsrat in einer weiteren Sitzung beschlossen, bei der Arbeitgeberin eine „Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement“ einzufordern. Der Betriebsrat ist weiterhin der Ansicht, dass das BEM im Unternehmen eine große Rolle spielt, da kaum eine Woche vergeht, in der dieser nicht mit Fragen rund um das BEM befasst sei. Somit sei die Erforderlichkeit gegeben. Außerdem sind im Vorfeld mehrere Anbieter recherchiert worden, deren Seminare jedoch über 3,5 Tage andauerten und näherliegende Seminarorte waren bereits ausgebucht.
Gericht sieht breiten Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Betriebsratsseminare
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In ihrer Entscheidung gaben die Richter dem Betriebsrat Recht. Dieser habe Anspruch auf Freistellung und Kostenübernahme für die beantragte Fortbildung. Nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Aachen hat das Betriebsratsmitglied bei der Entscheidung über die Schulungsmaßnahmen einen breiten Beurteilungsspielraum. Dies betreffe u. a. die Art der Veranstaltung, Inhalt und Anbieter. Im zugrunde liegenden Fall wurden zudem Alternativangebote eingeholt, aber aufgrund der noch längeren Schulungsdauer nicht berücksichtigt. Das Kostenargument der Arbeitgeberin müsse zurücktreten, wenn auf den ersten Blick keine erkennbare Unverhältnismäßigkeit bestehe. Auch könne nicht beanstandet werden, dass beide Betriebsratsmitglieder zur Schulungsmaßnahme fahren wollten. Denn auch nach Aussage der Arbeitgeberin sind beide seit ca. einem Jahr regelmäßig mit Fragen des Eingliederungsmanagements betraut.
Quelle: ArbG Aachen 8. Kammer, Entscheidung vom 25.02.2019, 8 BVGa 3/19