Wenn Beschäftigte das Ehrenamt eines Betriebsrates übernehmen, sollen sie nicht benachteiligt werden (§ 78 BetrVG). Dies gilt auch für die Vergütung, welche ohne Übernahme der ehrenamtlichen Tätigkeit den Beschäftigten zugestanden hätte. Doch wie verhält es sich, wenn zusätzlich Zahlungen von Wechselschichtzulagen, Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Vergütung von Rufbereitschaft gezahlt worden wären? Hat ein vollfreigestelltes Betriebsratsmitglied, welches nun zu üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 17 Uhr arbeitet, weiterhin darauf Anspruch? Dieser Frage hatte das Bundesarbeitsgericht im August 2024 zu entscheiden.
Der Hintergrund des Falls
Geklagt hatte ein Betriebsratsmitglied, welches seit 2013 bei dem Beklagten, einem gemeinnützigen Verein, der u. a. einen Rettungsdienst betreibt, als Notfallsanitäter tätig war. Seit Juni 2022 war er vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit für die Ausübung seines Betriebsratsamtes freigestellt. Vor der Betriebsratstätigkeit arbeitete er im Wechselschichtmodell und erhielt die streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile (Zahlungen von Wechselschichtzulagen, Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit sowie Vergütung von Rufbereitschaft) laut Tarifvertrag.
Forderung nach Fortzahlung aller Zulagen und Zuschläge
Mit seiner Klage forderte er die Fortzahlung der geltend gemachten Zulagen, Zuschläge sowie Vergütung für Rufbereitschaft, da er diese, wenn er nicht freigestellt wäre, aufgrund der Arbeit im Schichtsystem weiterhin erhalten würde. Als Begründung führte er an, dass er nicht eigenmächtig seine Arbeitszeiten auf die Tagesarbeitszeit verlegt habe. Dies sei notwendig, damit er an Betriebsrats- bzw. Gesamtbetriebsratssitzungen teilnehmen und sein Amt als Betriebsrat bei dem Beklagten ordnungsgemäß ausführen kann.
Die Beklagte forderte die Klageabweisung, da der Kläger die Zeiten seiner Betriebsratstätigkeit eigenständig aus der Wechselschicht heraus verlegt habe. Damit habe er keinen Anspruch auf die Vergütungsbestandteile. Würde er sie erhalten, wäre das eine Bevorzugung gegenüber den anderen Arbeitnehmern aus der Tagschicht.
Lohnausfallprinzip – BAG sieht Kläger im Recht
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision beim BAG verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.
Die Richter des Bundesarbeitsgerichts sahen die Revision als begründet an und verwiesen die Sache an das Hessische Landesarbeitsgericht zurück. Sie führten an, dass nach § 37 Abs. 2 BetrVG das Lohnausfallprinzip gilt. Demnach umfasst das fortzuzahlende Arbeitsentgelt alle Vergütungsbestandteile, die der Kläger ohne Freistellung hypothetisch verdient hätte. Dabei ist es irrelevant, dass der Kläger seine Betriebsratstätigkeit während der Bürozeiten erbringt. Entscheidend ist, welche Arbeitszeiten und Vergütungsbestandteile ohne Freistellung angefallen wären.
Keine Begünstigung durch fortgezahlte Vergütung
Auch die von der Beklagten angeführte Begünstigung verneinte das Gericht. Die Zahlung der streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile kompensiert den Ausfall tatsächlicher Schicht- und Rufbereitschaftszeiten.
Nun soll das Hessische LAG den Fall erneut prüfen, da keine ausreichenden Feststellungen zur hypothetischen Arbeitszeit des Klägers vorlagen.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.08.2024, 7 AZR 197/23
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