Das Bundesarbeitsgericht entschied am 5. Dezember 2024 (Aktenzeichen 8 AZR 370/20) in der Frage der Überstundenvergütung für Teilzeitkräfte. Kernaussage: Eine tarifvertragliche Regelung, die Überstundenzuschläge nur für Arbeitszeiten vorsieht, die über der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten liegen, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten (§ 4 Abs. 1 TzBfG). Dies gilt, wenn keine Anpassung an die Teilzeitquote erfolgt und keine sachlichen Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen.
Der Fall betraf eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft, die Überstundenzuschläge für 38 Stunden und 39 Minuten einforderte. Die Klägerin argumentierte, dass sie durch die tarifvertragliche Regelung gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt werde und zudem eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung vorliege, da Teilzeitbeschäftigte bei ihrem Arbeitgeber überwiegend Frauen seien.
Das Gericht gab der Klägerin Recht. Es stellte fest, dass die tarifvertragliche Regelung die Rechte von Teilzeitbeschäftigten verletzt, da sie Überstundenzuschläge erst ab der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten gewährt und damit Teilzeitkräfte faktisch schlechterstellt. Der Senat konnte keinen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung erkennen und sah darin auch eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung (§ 7 Abs. 1 AGG), da mehr als 90 % der Teilzeitbeschäftigten Frauen sind. Entsprechend wurde der Klägerin die Zeitgutschrift zugesprochen. Zudem erkannte das Gericht der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro zu, um den durch die Diskriminierung erlittenen immateriellen Schaden auszugleichen und zugleich eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu erzielen.
Das Urteil beruht unter anderem auf einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser wurde im Vorfeld durch die Richter des BAG angerufen. (Urteil vom 29. Juli 2024, C-184/22 und C-185/22 [KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.] – Wir haben berichtet.) Der EuGH entschied, dass eine solche tarifliche Regelung tatsächlich eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten darstellt, wenn diese nur Überstundenzuschläge erhalten, wenn sie mehr als die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten arbeiten.
Das Bundesarbeitsgericht erklärte nun die tarifvertragliche Regelung in ihrem diskriminierenden Teil für unwirksam. Damit wurde klargestellt, dass Teilzeitkräfte einen Anspruch auf anteilig berechnete Überstundenzuschläge haben, wenn ihre Arbeitszeit die vereinbarte Teilzeitquote überschreitet.
Quelle: PM des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 8 AZR 370/20
Aktuelle Urteile
Kostenfrei direkt in Ihr Postfach
Abonnieren Sie unseren Newsletter
Spezialwissen BR
Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Berufskrankheit
Ein Paukenschlag des Bundessozialgerichts: Psychische Erkrankung kann Berufskrankheit sein!Aufsichtsratswahl nach dem Drittelbeteiligungsgesetz
Eine Mitbestimmung von Beschäftigten kann nicht nur in der betrieblichen …Öffentlichkeitsarbeit für Betriebsräte – Tipps und Tricks
Wenn Ihre Mitarbeiter die Betriebsversammlung „zum Gähnen“ finden, mit der …
Aktuelle Seminarempfehlungen:
Führungskompetenzen von
BR-Vorsitzenden
Vertrauensvolle Zusammenarbeit & Umgang mit Störungen
15.09. - 19.09.2025 in Weimar
Resilienz
statt Burnout
Wie Sie die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter nachhaltig fördern
23.09. - 25.09.2025 in Zeulenroda
Sicher auftreten &
wirksam argumentieren
Grundlagen der Gesprächsführung für Betriebsräte und weitere Interessenvertretungen
21.10. - 23.10.2025 in Chemnitz