Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen gemäß § 99 BetrVG setzt eine umfassende Unterrichtung durch den Arbeitgeber voraus. Nur so kann der Betriebsrat die Maßnahme sachgerecht prüfen und gegebenenfalls Einwände erheben. In einem aktuellen Beschluss stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass diese Unterrichtung auch die Mitteilung der vorgesehenen Entgeltstufe umfassen muss, wenn ein Unternehmen über ein gestaffeltes Entgeltsystem verfügt.
Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung
Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen im Schienennahverkehr, das Tarifverträge der Gewerkschaften GDL und EVG anwendet, war mit dem Betriebsrat eines Betriebs in Leipzig in einen Streit über die Zustimmungsverfahren zu personellen Maßnahmen verwickelt.
Am 22. März 2021 hatte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat schriftlich mitgeteilt, dass sie künftig für bestimmte Tätigkeiten im Betrieb nur noch die Tarifverträge der GDL anwenden werde. Hintergrund dazu sei, dass ein Großteil der betroffenen Beschäftigten Mitglieder bei dieser Gewerkschaft sind.
Es kam zu einem Zustimmungsersetzungsgesuch der Arbeitgeberin zur Einstellung zweier Arbeitnehmer als Lokomotivführer und deren Eingruppierung in die Entgeltgruppe LF 5 des mit der GDL geschlossenen Bundesrahmentarifvertrages BuRa-ZugTV. In den Gesuchen war jeweils eine Anlage enthalten, aus der lediglich hervor ging, dass beide Personen im Vorfeld bei anderen Eisenbahnunternehmen als Lokomotivführer gearbeitet hatten.
Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu den Eingruppierungen, da er sich nicht ordnungsgemäß über die im Betrieb herrschenden Mehrheitsverhältnisse und damit über den auf Grund dessen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 TVG im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrag informiert fühlte.
BAG sieht Fehlverhalten bei Arbeitgeberin hinsichtlich § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
Das Arbeitsgericht wies die Anträge des Betriebsrats auf Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens ab. Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) sah die Unterrichtung des Betriebsrats als ausreichend an und lehnte die Beschwerde ab.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob die Entscheidung des LAG zu Gunsten des Betriebsrats auf. Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat nicht ausreichend informiert, da sie die wesentlichen Informationen, insbesondere die konkret vorgesehene Entgeltstufe und die Anrechnung der Berufserfahrung, nicht mitgeteilt hatte.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über jede geplante personelle Einzelmaßnahme, wie etwa eine Eingruppierung, umfassend zu informieren. Durch diese Unterrichtungspflicht hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Maßnahme zu prüfen und ggf. Einwände zu erheben. Dieses Mitbeurteilungsrecht umfasst nicht nur die Einordnung in eine Entgeltgruppe, sondern auch die Zuordnung zu der Entgeltstufe, die von der Beschäftigungsdauer abhängt. Dieses Beteiligungsverfahren kann nicht auf einzelne Teile der Eingruppierung beschränkt werden.
Da die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht über die vorgesehene Entgeltstufe und die relevanten Berufserfahrungen der Arbeitnehmer informiert hatte, war die Unterrichtung unvollständig. Der Betriebsrat konnte daher seine Mitbestimmungsrechte nicht ordnungsgemäß ausüben. Insbesondere war die Mitteilung der Entgeltstufe nicht entbehrlich, da der Betriebsrat diese Informationen nicht aus den vorgelegten Unterlagen eigenständig ableiten konnte.
Aufgrund der unzureichenden Unterrichtung entschied das BAG, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu den Eingruppierungen nicht fingiert werden kann. Die Arbeitgeberin wurde verpflichtet, ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen, um die Eingruppierungen wirksam durchzusetzen.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.07.2024, 1 ABR 25/23
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