Inhalt
In fast jedem Betrieb oder jeder Dienststelle stehen Beschäftigte früher oder später vor Herausforderungen, wie Überlastung oder hohen Arbeitsbelastungen. Solche Probleme können vielfältige Gefährdungen mit sich bringen – physisch oder psychisch. Gerade die psychischen Belastungen werden dabei oft unterschätzt, sowohl von Arbeitgebern als auch von den Beschäftigten selbst. Mit einer Gefährdungsanzeige können Beschäftigte ein deutliches Zeichen setzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen.
Mögliche Gefährdungen im Arbeitsalltag können – je nach Betrieb oder Dienststelle – unterschiedlich sein: Neben physischen Gefährdungen, wie dem Umgang mit Gefahrstoffen oder gefährlichen Maschinen, gehören auch psychosoziale Belastungen, wie Mobbing, übermäßige Arbeitsstunden und zunehmender Stress, zu den potenziellen Gefahrenquellen im Arbeitsalltag. Diese können langfristig gesundheitliche Schäden verursachen.
Weshalb eine Gefährdungsanzeige erstatten?
Die Beschäftigten sind gesetzlich verpflichtet, dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede festgestellte unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden festgestellten Defekt an Schutzsystemen unverzüglich zu melden (§ 16 ArbSchG).
Damit ergibt sich aus dem Arbeitsverhältnis unter anderem die Nebenpflicht, den Arbeitgeber/die Dienststellenleitung auf Gefahren am Arbeitsplatz hinzuweisen (§§ 611, 241 und 242 BGB). Wird dies unterlassen und entsteht daraus ein (möglicher) Schaden, kann der Beschäftigte mit haftbar gemacht werden (§ 280 BGB).
Durch die Gefährdungsanzeige werden Beschäftigte von einer beruflichen Haftung entbunden mit Ausnahme bei grob fahrlässigem Handeln oder Vorsatz. Gleichzeitig dient die Anzeige dem Schutz der Kollegen, Kunden, Klienten und letztlich auch des Arbeitgebers/der Dienststellenleitung selbst vor möglichen negativen Konsequenzen – intern sowie gegenüber Dritten.
Rechtliche Hinweise für Betriebsrat/Personalrat
Der Betriebsrat/Personalrat hat im Rahmen der Mitbestimmung umfangreiche Rechte, um den Arbeitsschutz der Beschäftigten zu gewährleisten:
Rechte des Betriebsrats:
Das Informations- und Beratungsrecht erstreckt sich im Betriebsverfassungsgesetz auf die §§ 80, 89 und 90 BetrVG und findet seine Ausgestaltungsmöglichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber in der Mitbestimmung im Rahmen der §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 91, 97 und 98 BetrVG.
So hat der Betriebsrat unter anderem die Möglichkeit, aktiv mit dem Arbeitgeber über die inhaltliche Ausgestaltung aller relevanten Themen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu verhandeln und diese in einer Betriebsvereinbarung zu verankern.
Rechte des Personalrats:
Das Informations- und Beratungsrecht erstreckt sich im Bundespersonalvertretungsgesetz auf den § 66 und findet seine Ausgestaltungsmöglichkeiten gegenüber dem Dienststellenleitung in der Mitbestimmung im Rahmen des § 80 Abs. 1 Nr. 16 BPersVG.
Andere individuelle Regelungen sind im jeweiligen Landesrecht zu finden. So zum Beispiel im SächsPersVG:
Das Informations- und Beratungsrecht ist gemäß § 73 Abs. 2 SächsPersVG geregelt und entfaltet gegenüber der Dienststellenleitung seine Ausgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Mitbestimmung nach § 81 Abs. 2 Nr. 7 SächsPersVG.
So hat der Betriebsrat/Personalrat unter anderem die Möglichkeit, aktiv mit dem Arbeitgeber/der Dienststelle über die inhaltliche Ausgestaltung aller relevanten Themen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu verhandeln und diese in einer Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung zu verankern.
Das (lohnende) Ziel ist die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden.
Bei Missachtung des Arbeitsschutzes oder der Mitbestimmung des Betriebsrats/Personalrats durch den Arbeitgeber/die Dienststelle besteht zudem die Möglichkeit, ein Beschlussverfahren am zuständigen Arbeitsgericht einzuleiten oder bei einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung und Scheitern der Verhandlungen die Einigungsstelle anzurufen.
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(Keine) Angst vor Repressalien
Beschäftigte, die eine Gefährdungsanzeige schreiben oder eine Beschwerde beim Betriebsrat/Personalrat einreichen, sind durch das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB geschützt. Das heißt, dass der Arbeitgeber/die Dienststellenleitung keine negativen Konsequenzen, etwa durch Abmahnung (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12. September 2018 – 14 Sa 140/18), Versetzung oder Kündigung, ziehen darf. Sollte dennoch eine Benachteiligung auftreten, können Beschäftigte sich beim Betriebsrat (§ 85 BetrVG) bzw. Personalrat beschweren oder individualrechtliche Schritte einleiten.
Wie kann der Betriebsrat/Personalrat helfen?
Beschäftigte haben das Recht, sich beim Betriebsrat (§ 85 BetrVG) bzw. Personalrat (§ 62 Nr. 3 BPersVG/§ 73 Abs. 1 Nr. 3 SächsPersVG) zu beschweren, wenn sie Gefährdungen am Arbeitsplatz feststellen, der Arbeitgeber/die Dienststellenleitung keine Abhilfe bei bereits angezeigter Gefährdung schafft oder sie sich nach einer erfolgten Gefährdungsanzeige durch den Arbeitgeber/die Dienststellenleitung benachteiligt fühlen. Die Interessenvertretung ist verpflichtet, diese Beschwerden zu prüfen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber/der Dienststellenleitung auf Abhilfe hinzuwirken.
Der Betriebsrat/Personalrat informiert zudem den Beschäftigten über den Stand der Beschwerde und die Maßnahmen, die ergriffen werden.
Auch wenn eine Beschwerde als unberechtigt angesehen wird, ist der Betriebsrat/Personalrat verpflichtet, die Beschäftigten darüber zu informieren und gegebenenfalls beratend zur Seite zu stehen.
Seminartipp
Unser Seminarangebot rund um Arbeitsschutz und Gefährdungsbeurteilungen bietet Ihnen als Betriebsrat das notwendige Wissen, um Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und die Gesundheit der Beschäftigten effektiv zu schützen.
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Arbeitsschutz – Grundlagenseminar
Grundlagenseminar zum betrieblichen Arbeitsschutz
Die Gefährdungsbeurteilung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz
Zweites Grundlagenseminar zum Thema Arbeitsschutz
Vorlage für eine Beschwerde beim Betriebsrat/Personalrat
Nutzen Sie unsere Vorlage für eine Beschwerde, um Ihre Anliegen strukturiert und rechtskonform einzureichen.
Beispieltext einer Gefährdungsanzeige an den Betriebsrat:
Sehr geehrter Betriebsrat,
hiermit erhebe ich Beschwerde über den oben genannten Sachverhalt mit der Bitte um Behandlung gemäß § 85 BetrVG.
Beschreibung des Beschwerdegegenstandes:
In meinem Arbeitsbereich kommt es zu folgender Situation: Beschreibung der Problematik, z. B. Sicherheitsmängel, Arbeitsüberlastung etc. Diese habe ich dem Arbeitgeber nach vorheriger Information (Datum + Kopie des Dokuments - Anlage) übermittelt. Bis heute hat der Arbeitgeber die o. g. Gefährdung nicht bearbeitet/beseitigt.
Ich bitte den Betriebsrat, die Beschwerde zu prüfen und sich für eine Lösung einzusetzen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen unter der folgenden E-Mail/Telefonnummer zur Verfügung...
Download unserer Mustervorlagen für Arbeitnehmer - Beschwerde beim Betriebsrat bzw. Beschwerde beim Personalrat als Worddokument
Was ist bei der Gefährdungsanzeige zu beachten?
Eine schriftliche Gefährdungsanzeige bietet Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Position klar zu dokumentieren und dient in einem möglichen Verfahren als Beweismittel.
Gefährdungsanzeigen können den Betriebsrat/Personalrat im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeiten im Arbeitsschutz unterstützen. Sie dienen als Frühindikatoren, um gegebenenfalls neue Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen oder bestehende zu überarbeiten.
Es ist ratsam, die Gefährdung selbst und die daraus resultierenden Folgen möglichst detailliert zu schildern. Die Schilderung muss Name, Datum und Unterschrift enthalten. Sollten mehrere Personen beteiligt sein, sollten diese ebenfalls unterschreiben.
Hinweis: Zur eigenen Absicherung sollte eine Kopie der Gefährdungsanzeige aufbewahrt werden (Beweiskraft).
Kurz und knapp – Checkliste für die Gefährdungsanzeige:
- Schriftliche Form: Die Gefährdungsanzeige sollte immer schriftlich erfolgen.
- Detaillierte Beschreibung: Gefährdung, betroffene Personen und mögliche Folgen klar beschreiben/benennen.
- Beteiligte mit Unterschrift aufnehmen
- Beweiskraft sichern: Eine Kopie der Anzeige aufbewahren
- Betriebsrat/Personalrat informieren
Vorlage für eine Gefährdungsanzeige
Nutzen Sie unsere Vorlage für eine Gefährdungsanzeige nach § 16 ArbSchG i. V. m. § 85 BetrVG. Diese steht als Worddokument zum Download zur Verfügung.
Download unserer Mustervorlagen einer Gefährdungsanzeige
Wer erhält die Gefährdungsanzeige?
Die Gefährdungsanzeige muss verpflichtend dem Arbeitgeber/der Dienststellenleitung übermittelt werden. Es ist außerdem sinnvoll, den Betriebsrat/Personalrat als Vertreter der Beschäftigten in Kopie zu setzen. Zusätzlich kann die Anzeige an die Sicherheitsfachkraft oder den QM-Beauftragten weitergeleitet werden.
Wer kann außerdem unterstützen?
Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte sind ebenfalls kompetente Ansprechpartner, die im Rahmen ihrer Aufgaben bei der Bewertung von Gefährdungen unterstützend wirken können. Diese externen Experten können Maßnahmen zur Minderung der Gefährdungen vorschlagen und die Einhaltung von Arbeitsschutzvorgaben überwachen.
Was ist, wenn die Gefährdung nicht behoben wird?
Falls der Arbeitgeber/die Dienststellenleitung nicht auf eine Gefährdungsanzeige reagiert oder keine Maßnahmen ergreift, besteht die Möglichkeit, Aufsichtsbehörden wie die Gewerbeaufsicht oder Berufsgenossenschaften einzuschalten. Diese Institutionen sind befugt, Arbeitsschutzverletzungen zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen anzuordnen.
Die wichtigsten Informationen für Arbeitnehmende als Aushang zum Download
Diese Informationen sind für Sie als Musteraushang vorbereitet. Dieser kann wie gewohnt heruntergeladen, nach Bedarf angepasst und ausgedruckt werden.
Download für Betriebsräte
- Musteraushang - Gefährdungsanzeige - Betriebsrat Word
- Musteraushang - Gefährdungsanzeige - Betriebsrat PDF
Download für Personalräte
Stand der Informationen: November 2024
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