Durch die gesetzliche Rentenversicherung werden regelmäßig Betriebsprüfungen durchgeführt. Besonderes Augenmerk wird dabei auch auf den Einsatz freier Mitarbeiter gelegt: Waren diese tatsächlich abhängig beschäftigt, kann dies zu erheblichen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen führen. Maßgebliche Kriterien für das Vorliegen abhängiger Beschäftigung sind
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Weisungsgebundenheit
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fehlendes Unternehmerrisiko.
Das LSG Baden-Württemberg hat am 18. März 2025 (Az. L 13 BA 3631/22) entschieden, dass Dopingkontrolleure, die im Auftrag eines Dopingkontrollunternehmens tätig werden, abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungspflichtig sind. Begründet wird dies im konkreten Fall damit, dass deren Tätigkeit inhaltlich und zeitlich maßgeblich durch die Vorgaben ihres Auftraggebers bestimmt wurde. Eine Freiberuflichkeit liegt also gerade nicht vor.
Was war passiert?
Das Unternehmen selbst führt für nationale Anti-Doping-Organisationen, internationale und nationale Sportverbände sowie Sportveranstalter Dopingkontrollen – also Trainings- und Wettkampfkontrollen durch Blut- und Urinproben – im Leistungssport durch. Diese Kontrollen werden durch fest angestellte Mitarbeiter, aber auch durch freie Mitarbeiter durchgeführt. Hierfür werden mit den freien Mitarbeitern Rahmenverträge geschlossen und sodann Einzelaufträge erteilt. Der Rentenversicherungsträger führte 2015 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2014 durch, kam zu dem Ergebnis, dass die fast 100 als freie Mitarbeiter geführten Dopingkontrolleure abhängig beschäftigt waren, und forderte Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von knapp 160.000 € nach.
Hiergegen wehrte sich das Unternehmen: Zuerst erfolglos im Widerspruchsverfahren, anschließend mit erfolgreicher Klage am Sozialgericht. Der Rentenversicherungsträger ging in die zweite Instanz – und dort erfolgreich hervor: Das LSG hat die Beitragsnachforderung bestätigt.
Die Begründung
Wesentlich für das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung ist, dass die Dopingkontrolleure einem der Klägerin zuzurechnenden Weisungsrecht unterlagen und in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in deren Betriebsablauf eingegliedert waren. Weisungsgebunden arbeitet, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Konkrete Einzelanweisungen für die Dopingkontrolleure gab es zwar nicht, allerdings war die konkrete Tätigkeit sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht durch die Vorgaben des auftraggebenden Unternehmens geprägt.
In zeitlicher Hinsicht waren die Kontrolleure durch den Rahmenvertrag verpflichtet, angenommene Aufträge entsprechend den Vereinbarungen zum Zeitpunkt der Dopingkontrolle wahrzunehmen. Die inhaltlichen Anforderungen an die Kontrollen wurden maßgeblich durch die Regularien der Dopingagenturen bestimmt, die die Kontrolleure nach dem Rahmenvertrag "streng" zu beachten hatten. Die Tätigkeit war auch in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebettet: Die Zuweisung von Dopingkontrollen, die bei einem Athleten durchzuführen waren, ist durch die Klägerin erfolgt. Zudem haben die Kontrolleure die erforderlichen Test-Kits des Unternehmens und damit deren Infrastruktur genutzt.
Unwesentlich war hingegen, dass es z. B. keine Dienstpläne gab und nur ein reduziertes Honorar bei erfolglosen Kontrollversuchen gezahlt wurde. Jedoch gab es ein pauschales Honorar pro durchgeführter Kontrolle.
Alles zusammen führte dazu, dass ein maßgebliches, eine selbstständige Tätigkeit prägendes unternehmerisches Risiko der Dopingkontrolleure nicht festgestellt werden konnte.
Wirtschaftliches Risiko: Nachträgliche Feststellung der Sozialversicherungspflicht von Freiberuflern, Honorarkräften, Solo-Selbständigen und Ehrenamtlern
In vielen Unternehmen ist es gängige Praxis, Freiberufler, Honorarkräfte, Solo-Selbständige und Ehrenamtler einzusetzen - ihr sozialversicherungsrechtlicher Status ist bei genauerem Hinsehen jedoch oft fragwürdig. Zwischen den unmittelbar Betroffenen – also Auftraggeber und Freiberufler oder ehrenamtlich tätiger Person – besteht in der Regel Einigkeit über die zu erbringende Leistung, Vergütung und den sozialversicherungsrechtlichen Status. Doch bei Betriebsprüfungen – z. B. durch die Deutsche Rentenversicherung – wird immer häufiger die Sozialversicherungspflicht festgestellt. Der Klageweg vor den Sozialgerichten bestätigt in der Regel die Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung – und das selbst dann, wenn die Beteiligten erkennbar eine selbstständige oder ehrenamtliche Tätigkeit vereinbaren wollten. Hohe Nachzahlungen werden fällig, die die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen gefährden können.
Es gilt beim Einsatz von Freiberuflern, Honorarkräften, Solo-Selbständigen und Ehrenamtlern, die aktuelle Rechtslage zu kennen und genau abzuwägen. Die Abgrenzungsmerkmale zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern aus den Urteilen sind teils schwer nachvollziehbar. Wegweisende Urteile zu diesem Thema kommen aus verschiedenartigsten Tätigkeitsbereichen:
Sozialversicherungspflicht bestätigt für
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Pflegefachkräfte in stationären Pflegeeinrichtungen
BSG vom 07.06.2019, Az. B 12 R 6/18 R -
Notarzt im Rettungsdienst
BSG vom 19.10.2021, Az. B 12 R 10/20 R -
Lehrkräfte einer Musikschule
BSG vom 28.06.2022, Az. B 12 R 3/20 R, sogenanntes „Herrenberg-Urteil“ -
Dopingkontrolleure bei Sportlern (Trainings- und Wettkampfkontrolle)
LSG Baden-Württemberg vom 18.03.2025, Az. L 13 BA 3631/22 -
Rallye-Fahrer und Beifahrer
LSG Hessen vom 16.05.2025, Az. L 1 BA 34/23
Sozialversicherungspflicht nicht bestätigt für
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Ehrenamtliche Tätigkeit von Altersrentnern im gemeinnützigen Museum
LSG Hessen vom 23.01.2025, Az. L 1 BA 64/23 -
Erziehungsbeistand in Familien für einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe
BSG vom 31.03.2017, Az. B 12 R 7/15 R
Doch was können Betriebsräte tun?
Schließlich wird der Betriebsrat beim Einsatz von Freiberuflern, Honorarkräften, Solo-Selbständigen und Ehrenamtlern regelmäßig nicht beteiligt. Es lohnt sich, im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ins Gespräch zu kommen, sofern vorhanden – die abweichende Sichtweise des Betriebsrats darzulegen, zu begründen und eine Überprüfung bzw. Änderung zu verlangen. Gelingt dies nicht, kann der Betriebsrat von sich aus eine arbeitsgerichtliche Überprüfung im Beschlussverfahren vornehmen lassen, ob es sich bei den Betroffenen um Einstellungen nach § 99 BetrVG handelt. Ist dies der Fall, ist der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zukünftig zu beteiligen und kann von seinem Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG (Verstoß gegen ein Gesetz) Gebrauch machen. Hintergrund ist, dass bereits am 12.11.2002 das BAG per Beschluss festgestellt hat, dass es sich bei im Rettungs- und Transportdienst tätigen Vereinsmitgliedern des DRK um Arbeitnehmer handelt und der Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen ist.
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