Ein Arbeitgeber kann verlangen, dass Beschäftigte nach einer finanzierten Fortbildung für eine gewisse Zeit im Unternehmen bleiben. Doch was passiert, wenn jemand vorher aus persönlichen Gründen kündigt? Ist eine Rückzahlung der Fortbildungskosten dann verpflichtend?
Arbeitnehmerin kündigt innerhalb der Bindungsfrist
Eine Altenpflegerin absolvierte eine vom Arbeitgeber finanzierte Weiterbildung zur „Fachtherapeutin Wunde ICW“. Im Fortbildungsvertrag war in § 3 „Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist“ festgelegt, dass sie nach Abschluss der Schulung mindestens sechs Monate im Unternehmen bleiben oder anteilig die Kosten von 4.090 Euro zurückzahlen sollte.
Die Fortbildungsmaßnahme schloss die Beklagte am 3. Dezember 2019 erfolgreich ab. Mit Schreiben vom 29. November 2019 kündigte sie aber das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 1. Februar 2020. Der Arbeitgeber verlangte daraufhin 2.726,68 Euro zurück, denn nach seiner Auffassung sei die Beklagte gemäß des Fortbildungsvertrags zur anteiligen Rückzahlung der von ihm aufgewandten Fortbildungskosten verpflichtet, weil diese vor Ablauf der sechsmonatigen Bindungsfrist aufgrund einer Eigenkündigung, die der Kläger nicht zu vertreten habe, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Doch die Altenpflegerin verweigerte die Zahlung – sie hielt die Rückzahlungsklausel für unwirksam.
Bundesarbeitsgericht sieht unangemessene Einschränkung der Berufswahlfreiheit
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag unwirksam ist. Laut § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darf eine Vertragsklausel Beschäftigte nicht unangemessen benachteiligen.
Die Regelung zur Rückzahlung war jedoch so weit gefasst, dass sie grundsätzlich jede Eigenkündigung ohne Rücksicht auf deren Gründe erfasste. Dadurch wurde der Arbeitnehmerin die freie Wahl ihres Arbeitsplatzes ("Berufswahlfreiheit", Art. 12 Abs. 1 GG) unangemessen eingeschränkt. Eine Rückzahlungspflicht wäre nur dann zulässig, wenn sie an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpft wäre.
Da die Klausel jedoch pauschal jede Eigenkündigung erfasste und keine Differenzierung nach den konkreten Umständen vornahm, war sie insgesamt unwirksam. Der Arbeitgeber konnte deshalb keine Erstattung der Fortbildungskosten verlangen.
Dauerhafte Leistungsunfähigkeit als Ausnahme
Zudem hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine unverschuldete dauerhafte Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nicht zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichten kann. Ist eine Person aufgrund gesundheitlicher oder anderer, nicht selbst verschuldeter Umstände dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, entfällt der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch. Ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ohne Erfüllungsmöglichkeit ist in der Regel nicht zumutbar. Das unternehmerische Risiko einer nicht amortisierten Fortbildungsinvestition trägt der Arbeitgeber selbst.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21
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