Kann Duschen zur Arbeitszeit gehören? Vergütungsanspruch für Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten - Urteil des Bundesarbeitsgerichtes
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Kann Duschen zur Arbeitszeit gehören?

Vergütungsanspruch für Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten

Dass das morgendliche Duschen nicht zur Arbeitszeit zählt, ist wohl jedem klar. Doch wie verhält es sich, wenn die Arbeitsumstände am Arbeitsplatz dazu führen, dass Beschäftigte so stark verschmutzen, dass sie ohne vorherige Dusche keine Privatkleidung anlegen können? Kann das Duschen dann als Arbeitszeit gelten?

Diese Frage hatte zunächst das Landesarbeitsgericht Nürnberg, und später das Bundesarbeitsgericht zu klären.

Hintergrund des Falls: Tätigkeit und Arbeitsumfeld des Klägers

Der Kläger ist seit 2008 als Containermechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Während seiner Tätigkeit schleift er unter anderem rostige Stellen ab und lackiert diese neu. Dazu wird ihm Arbeits- und Schutzkleidung bereitgestellt, die er vor Arbeitsbeginn in der Umkleidekabine anzieht.

Neben dem Manteltarifvertrag des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes gelten auf das Arbeitsverhältnis auch verschiedene Betriebsvereinbarungen (BV). Diese regeln unter anderem, dass sich Arbeitnehmer zu Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz einzufinden haben. Außerdem gibt es eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die festlegt, dass die tägliche Arbeitszeit mit Abschluss der zugewiesenen Arbeit oder einer entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten endet.

Forderungen des Klägers: Vergütung für Umkleide-, Wege- und Duschzeiten

Mit seiner Klage forderte er nun eine Vergütung für täglich 55 Minuten, die er für das Umkleiden, die Wege zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz sowie das Duschen nach der Arbeit benötigte. Denn aufgrund der Verschmutzung sei er gezwungen, sich vor Verlassen des Betriebs zu duschen.

Die Forderung einer Nachzahlung für den Zeitraum von Januar 2017 bis April 2022 und die Feststellung einer zukünftigen Vergütungspflicht lehnte die Arbeitgeberin ab. Sie argumentierte, dass diese Zeiten nicht als Arbeitszeit anzusehen sind und somit nicht vergütet werden müssen: „Die Auslegung des MTV ergebe, dass Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten nicht zu der zu vergütenden Arbeitszeit gehörten. Die GBV und die BV zeigten, dass die Arbeitszeit erst am Arbeitsplatz beginne und dort auch ende. Eine Vergütungspflicht lasse sich nicht aus § 611a Abs. 2 BGB ableiten. Das Duschen sei weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich.“

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Grundsatz der Vergütungspflicht

Nachdem das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Nürnberg der Klage teilweise stattgegeben hatten, legte die Beklagte dagegen Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.

Dieses entschied zu Gunsten des Klägers. Genau wie das LAG nahm das BAG an, dass eine Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeit gemäß § 611a Abs. 2 BGB dem Grunde nach in Betracht kommt. Zu der im Dienste eines anderen erbrachte Arbeitsleistung i. S. v. § 611a Abs. 1 BGB gehört nicht nur die eigentliche Tätigkeit sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge.

Somit sind nach Ansicht des Gerichts der Wechsel der Dienstkleidung, welche auf Anweisung des Arbeitgebers während der Arbeitszeit getragen werden müsse, genauso vergütungspflichtig, wie die Wegezeit des Klägers vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz.

Auch stellte das BAG eine allgemeine Vergütungspflicht der Duschzeit fest, wenn diese Zeit der Körperreinigung mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt und deshalb ausschließlich der Befriedung eines fremden Bedürfnisses dient. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitgeber die Körperreinigung ausdrücklich angeordnet hat oder dass entsprechende arbeitsschutzrechtliche Vorschriften vorliegen.

Zusätzlich ergibt sich ein Vergütungsanspruch, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm das Anziehen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann. Allerdings reicht eine übliche Verunreinigung durch Schweiß- und Körpergeruch hierbei nicht aus.

Einschränkungen der Vergütungspflicht: Prüfung durch das Landesarbeitsgericht

Das BAG hob allerdings das Berufungsurteil auf und gab den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück. Es entschied, dass die bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichten, um eine allgemeine Vergütungspflicht für diese Zeiten zu bestätigen. Dies muss nun prüfen, ob und in welchem Umfang die Umkleide- und Duschzeiten arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten waren. Außerdem muss das LAG prüfen, ob die Zeiten durch Tarifverträge oder andere Regelungen ausgeschlossen sind.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 212/23, 23.04.2024

 

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