Der gesetzliche Rahmen für ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft ist im Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelt. Es dient dem Schutz der Gesundheit der schwangeren Beschäftigten und des ungeborenen Kindes sowie der Sicherstellung von Einkommenssicherheit während des Verbots. Ist eine werdende Mutter im Beschäftigungsverbot, ergibt sich nach § 24 Abs. 1 Satz 1 MuSchG i. V. m. § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) folgende Regelung:
Der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen (bei einer Sechs-Tage-Woche) bleibt während eines Beschäftigungsverbots oder während der Mutterschutzfristen bestehen.
Der Anspruch auf Urlaub besteht auch für Zeiten, in denen die Schwangere nicht arbeitet, da das Beschäftigungsverbot wie eine reguläre Arbeitszeit gilt.
Zur Übertragbarkeit des Urlaubs lässt sich die Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG finden. Wenn der Urlaub wegen eines Beschäftigungsverbots oder der Mutterschutzfrist nicht genommen werden konnte, wird er in das nächste Kalenderjahr übertragen. Aus § 7 Abs. 4 BUrlG ergibt sich die Pflicht zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs, sollte dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden.
Rechtliche Auseinandersetzung über Urlaubsansprüche bei nahtlosen Beschäftigungsverboten
Nun stellt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn sich mehrere Beschäftigungsverbote aneinanderreihen. Erwirbt die werdende Mutter auch in einem Jahr ohne tatsächliche Arbeitsleistung weiteren Urlaubsanspruch? Wird der Urlaubsanspruch auch über mehrere Jahre übertragen? Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Fragen nun zu klären.
Die Klägerin war von Februar 2017 bis März 2020 bei der Beklagten als Zahnärztin mit einem Urlaubsanspruch von 28 Tagen pro Jahr angestellt. Im Dezember 2017 erhielt die Klägerin das Beschäftigungsverbot. Zu diesem Zeitpunkt standen ihr noch fünf Tage Resturlaub aus dem laufenden Kalenderjahr zu. Aufgrund von Mutterschutz und Stillzeit für ihre im Juli 2018 und September 2019 geborenen Kinder schlossen sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nahtlos mehrere Beschäftigungsverbote an.
Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin mit Klagezustellung zum 26. Juni 2020 die Abgeltung von insgesamt 68 Urlaubstagen zu 193,04 Euro brutto pro Urlaubstag.
Dagegen wehrte sich der Arbeitgeber. Seiner Meinung nach sind im Beschäftigungsverbot keine Urlaubsansprüche entstanden. Bei den nahtlos ineinander übergreifenden Beschäftigungsverboten bestand keine Arbeitspflicht, die ein Erholungsbedürfnis rechtfertigen würde. Des Weiteren sind nach § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Monats März des jeweiligen Folgejahres etwaige Urlaubsansprüche erloschen. Nach § 24 Satz 2 MuSchG verfällt nur der Urlaub nicht, der vor Beginn des Beschäftigungsverbots nicht oder nur teilweise gewährt wurde.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Sächsische Landesarbeitsgericht gaben der Klägerin Recht. Mit der Revision zum BAG verfolgt der Beklagte weiterhin die Klageabweisung.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Urlaubsansprüchen
Auch der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts gab der Klägerin Recht. Ihr Anspruch auf Urlaubsabgeltung ergibt sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG, da der offene Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte. Entscheidend ist, dass die Urlaubsansprüche zum Zeitpunkt der Beendigung noch bestanden.
Die Urlaubsansprüche entstanden trotz durchgehender Beschäftigungsverbote der Klägerin von Dezember 2017 bis März 2020. Diese Zeiten zählen nach § 17 MuSchG aF bzw. § 24 MuSchG als Beschäftigungszeiten. Diese Regelung gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den darüber hinausgehenden Mehrurlaub.
Die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2017 bis 2020 sind nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. § 24 Satz 2 MuSchG schützt Urlaubsansprüche bei Beschäftigungsverboten, indem ein Übertragungszeitraum gewährt wird. Dies gilt auch bei nahtlos aufeinanderfolgenden Beschäftigungsverboten, sodass die Ansprüche über mehrere Jahre hinweg erhalten blieben.
Darüber hinaus waren die Urlaubsansprüche der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht nach § 214 Abs. 1 BGB verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist begann frühestens nach Ablauf des letzten Beschäftigungsverbots, sodass die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht wurden.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.08.2024, 9 AZR 226/23
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